Bericht über die wirtschaftlichen und „kulturellen“ Zustände in Strehlitz, Kreis Namslau, in Schlesien 1945/46

Ackendorf, den 1. Juli 1946
Zur Einleitung
Nachfolgender Bericht ist von Herrn Martin Herrmann, Strehlitz, jetzt zu Ingeleben, Kreis Helmstedt, im Lande Braunschweig gemacht worden. Herr Herrmann war nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft nach Schackensleben, Kreis Haidensieben, verschlagen worden, zusammen mit einem anderen Namslauer Kreiskind, hatte die Leitung eines landwirtschaftlichen Betriebes in die Hand bekommen, dessen Besitzer von den Amis als „Obernazi“ zur Kasse genommen worden war.
Als Herr Herrmann hörte, daß ich im Nachbardorf wäre, machte er sich eines Sonntags auf (wir hatten damals oft noch Ausgangssperren), um sich beim zuständigen Bürgermeister nach mir zu erkundigen. Dieser „zuständige Bürgermeister“ war — ich ! Herrmann suchte nach seiner Familie und fand diese trotz verschiedener Suchaktionen nicht. Da entschloß er sich nach Strehlitz zu fahren, wohin er nach vieler Fährnissen auch kam und ca.10 Monate blieb. Ich bringe nachfolgend die wortgetreue Abschrift seines Berichtes, um den ich ihn gebeten hatte, nachdem er sich aus dem Flüchtlingszuge heraus von Magdeburg aus gemeldet hatte und mir dann auch bald seine neue Anschrift mitteilte. -
Wie ich erst jetzt erfahre, hatte er von Strehlitz aus mir und seinem Schackenslebener Kameraden Wahnitz aus Simmelwitz, Kreis Namslau, ungefähr zehnmal geschrieben. Nichts ist angekommen ! Außer dem Bericht des Herrn Herrmann hatte er mir ca. 40 an ihn gestellte Fragen beantwortet, die mehr oder minder aus persönlichem Interesse allein gestellt waren, aber auch allgemeines Interesse haben dürften, wenigstens zu einem Teil.
Des allgemeinen Verständnisses wegen habe ich diese Antworten in den Bericht hineingearbeitet. Ich habe dabei meist denselben Wortsatz beibehalten, den Herr Herrmann niederschrieb. Lediglich habe ich an verschiedenen Stellen sinnverbindende Sätze und Worte eingefügt. Da ich noch andere Berichte bekommen habe, die allerdings nicht so umfangreich waren, wie der des Herrn Herrmann, vielmehr sich auf Einzelheiten beschränkten, so füge ich diese auch bei, setze aber in einfache Klammern ( ) und benenne im allgemeinen auch die Quelle. Außerdem füge ich in doppelter Klammerung (( )) eigene Zusätze bei, die nur den Zweck haben, Fernerstehenden über Dinge Aufklärung zu geben, die sie nicht verstehen können, oder aber auch eigene Beobachtungen und Kritiken,(-gemeckert möcht*schon a bissel sein-)die uns im allgemeinen alle angehen !!
Mancher Leser dieser Zusammenstellung - ich hoffe, daß es eine größere Zahl sein wird, wenn es auch manchem langweilig sein wird mit den Namen von ganz Unbekannten, - wird vielleicht den interessanten Bericht gelesen haben, den Hermann König (KA Namslau, .jetzt zu Sonneberg/Thür) mit viel Arbeit und Mühe gefertigt hat. Dieser Bericht gibt ein Kultur- und Zeitbild aus dem ganzen Kreis Namslau wieder. Der nachfolgende Bericht verfolgt den gleichen Zweck für eine Dorfgemeinde und zwar in einem Umfang, wie ich ihn bisher aus Schlesien noch nicht gelesen habe.-Zu sagen wäre, wie Herr Herrmann ja auch selbst betont, noch unendlich viel und wird es vielleicht möglich sein, später einmal einen Nachtrag zusammenzustellen, was nun folgt, ist keine schöne Lektüre, sondern muß ernsthaftes Nachdenken als Folge zeitigen ! Hoffentlich lesen diesen Bericht auch viele aus dem Kreis Namslau, die mit dazu beigetragen haben, daß es zu diesen Zuständen kommen mußte. Darüber wird ja noch viel, sicher z u viel geschrieben werden !
Lassen wir nun Herrn Martin Herrmann sprechen:


Ingeleben, den 15. Juni 1946

Sehr geehrter Herr Bennecke !
Gestern erhielt ich Ihren Brief, für den ich Ihnen herzlichst danke und den ich wie folgt beantworte:
Ich hatte fast nicht mehr geglaubt, daß Sie noch dort wären. ((Bodenreform)). Gestern hatte ich auch Nachricht von Verwandten meiner Frau erhalten -Russenzone-. Auch dort ist alles aufgesiedelt. Der bisherige Besitzer -Schwiegervater meines Schwagers- ist kreisverwiesen und hat im anderen Kreis eine 50-Morgen-Siedlung ((da hat er aber Schwein gehabt)). Dieser Schwager war von den Russen an die Polen ausgeliefert worden und mußte in Oberschlesien in der Grube arbeiten. Er wurde im März entlassen und kam zu uns nach Strehlitz in der Meinung, wir wären noch Besitzer. Dort wurde er von der Miliz gefaßt und mußte in der Schikora-Wirtschaft, die einem Milizmann gehört, arbeiten. Er ist dann mit uns am 16.5. (1946) verschwunden.
Nun will ich versuchen, einiges von dem, was ich dort erleben mußte, zu schildern, Bücher hätte man schreiben können, tagelang erzählen können.
Als ich am 14.7.1945 ((von Schackensleben Kr.Haldensieben, Bezirk Magdeburg)) mich aufmachte, meine Familie zu suchen, hatte ich gewußt, was mir in Strehlitz blühen würde ((oft haben wir uns darüber unterhalten)). Aber s o habe ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt ! Auf eine Art bin ich froh, daß ich dort 10 Monate das alles miterlebte; ich hätte es sonst nie geglaubt und es wäre mir sonst niemals so leicht geworden, die Heimat zu verlassen.
Also bis Breslau-Lissa kam ich auf den Dächern der Personenzüge ziemlich glatt durch ((Lissa ca.10 km vor Breslau)). Von dort zu Fuß über Reichenbach nach Frankenstein, mit einem unfreiwilligen Kelleraufenthalt, wo mich Russen von meiner Uhr und anderen Wertsachen erleichterten. In Frankenstein erfuhr ich von meinen Verwandten, daß sich meine Frau gleich nach Kriegsende zusammen mit Gebrüder Herrmann ((Erbscholtisei Strehlitz)) nach der Heimat (Strehlitz) aufgemacht hatten. Meine Verwandten hatten nichts mehr und sahen sehr schlecht aus. - Unterwegs waren meine Frau und Herrmanns dann ausgeplündert worden. Meine Frau kam dann mit einem Schinder, den man ihr im Tausch gegen die Pferde vor den Wagen gespannt hatte, mit dem Rest der Habe in Strehlitz an, und dort begann erst das Martyrium.
Ich stiefelte über Strehlen, das total zerstört und vermint war, nach Brieg über die Oder. Links der Oder war alles noch deutsch. Und hier lief die Parole, die wenigen Polen, die da wären, müßten bis 1.8. das Gebiet räumen ((die Parolen kennen wir zur Genüge)). Hier galt auch noch das deutsche Geld. Rechts der Oder war es anders. Das Gebiet war jetzt polnisch ((geworden,-dieser Zusatz für die Auffrischung der geografischen und volkskundlichen Kenntnisse derer, die hier zu Lande meinen, daß Polen gleich hinter der Elbe, jawohl Elbe !!beginne)). Aus jedem Haus flatterte ein weiß-roter Fetzen: Von Polen besetzt. Ich kam über Groß-Marchwitz die hohe Brücke nach dem Pietzonka-Platz ((Namslau)). Alles polnische Schilder und Namen. Ich traf die ersten verschüchterten Deutschen. Das Gerücht ist Tatsache, daß es alltäglich ist, daß Leute (Deutsche), die aus der Stadt herauskommen, dort ausgeplündert werden. Das wird so selbstverständlich aufgenommen, daß niemand mehr was dabei findet. Es wurden einem, ohne mit der Wimper zu zucken, die Stiefel ausgezogen, wenn man auf der Straße ging. Niemand wagte, sich aufzuregen. Man war froh, wenn man nicht die Jacke vollgehauen bekam, wo sollte man sich beschweren ? Man war „Nimietz“ ((Deutscher)),das hieß vogelfrei.-Die ersten Erkundigungen werden eingezogen. „Was, Sie wollen nach Strehlitz ? Dort liegt ja der „große Stab“ und die Miliz !“ ((Strehlitz war ca.1600 Einwohner groß, zu normalen Zeiten, und hat ein Areal von ca. 12 000 Morgen, das größte Dorf des Kreises Namslau und anscheinend am wenigsten zerstört))
„ Dort ist es ganz schlimm“. Ich ging die Straße nach Noldau bis zu meinem Feld. Der Roggen war reif. Der Inkarnatklee, auf den Kartoffeln kommen sollten, stand reif da. Nichts geerntet. Ich stand auf meinem Grund und Boden, der doch nicht mehr mein war, und - weinte.- Dann tippelte ich zur Eisenbahnbrücke ((von da aus kann man das ganze ca. 6 km lange Dorf übersehen)) meinem Hof zu. Auf der Strecke standen vollbeladene Eisenbahnzüge nach dem Osten, aber ohne Lokomotive. Jetzt konnte ich das Dorf übersehen. Ich sah nichts zerstört. Von der katholischen Kirche wehte die weiß-rote Fahne, von Ihrem (Herrn Benneckes) Gutshaus die rote. Schweren Herzens ging ich dem Dorf zu. Schnell noch einen Blick auf den Friedhof. Einige frische Hügel. Wer mag es sein ? Und nun schlich ich wie ein Dieb nach meinem Hof.
Es war ein heißer Nachmittag, wo sollte ich meine Familie finden ? In meinem Hof standen alle Tore breit offen. Kein Mensch, kein Tier zu sehen. Einige Maschinen und Geräte stehen herum. Fremde Ackerwagen und Teile davon. Im Hof liegt alles herum.
Ein Köter kläfft mich an. Ein Mann und eine Frau kommen heraus. Ich bitte die Leute polnisch um Wasser. Da sagt der Mann: “Sie sind der Besitzer, Sie können alles übernehmen !“ Ich erhalte Brot und Wodka. Man sagt mir, daß meine Familie oben im Auszughaus wohnt. Groß ist die Freude meiner Mutter und meiner Kinder (Manfred und Christa). Meine Frau ist in der Arbeit auf der Russenkolchose und kommt erst abends heim. Der Pole geht mit mir zur Anmeldung auf die Miliz. Dort werde ich auf Herz und Nieren geprüft. Der Pole spricht sehr gut für mich, was mich vor sehr viel Leid bewahrt hat.- In meinem Hof war eine Schnapsbrennerei in Betrieb und „mein“ Pole war „Hoflieferant“ der Miliz.-
So sehr sich meine Frau abends freute, so sehr schwebte sie dann aber auch in der Angst um mich, weil ständig Männer in den Milizkeller wanderten. Und immer war es die bange Frage, wer kommt diese Nacht an die Reihe ? Die Miliz bewohnte das große Quak-Haus gegenüber von Schikora. - Nach zwei Tagen wurde auch ich nach der Kolchose, Ihrem Gut, befohlen und bin dort zehn Monate täglich zur Arbeit gegangen.-
Die Kolchose, deren Stab 14807 in Ihrem Gutshaus wohnte - ein Kapitän, Agronom, Feldmesser und sonstige russische Verwalter -, umfaßte die Feldmark von Grambschütz ((ca.3000 Morgen ohne Wald)), Reichen ((ca.3000 Morgen))Buchelsdorf ((ca.3500 Morgen)), Lorzendorf ((ca.3500 Morgen)) und Strehlitz mit Waldhof ((ca.12 000 Morgen))((alle Dörfer zusammengerechnet, Güter wie Bauern,ca.21 000 bis 22 000 Morgen)).- Dieses wurde alles von Ihrem Hof aus bewirtschaftet ! Hinten in der Koppel standen an die hundert Wagen. Alle Ställe und die Scheunen waren mit Pferden - ein Teil auch Strehlitzer Pferde - besetzt. Im Gartenhaus wohnten die Ukrainer, die die Pferde besorgten. In der Moch-Wohnung ((Benneckes Chauffeur)) war die Molkereil! Die eigentliche Molkerei steht zwar noch, doch sind die Maschinen ausgebaut ((die Kapazität von 12-14- 000 Liter erwies sich als zu klein)). Strehlitz erzeugte ja nur ca. 40Liter ((in Worten: vierzig Liter)) Milch !! In der eigentlichen Molkerei wohnte als „Direktor“ der frühere polnische Arbeiter „Theo“.- Der Gutshof ist in Ordnung und aufgeräumt. Der Mist zu Rüben hinter der Koppel ist herausgefahren. Die Gebäude sind sonst in Ordnung. Nur sind die Dächer durchlöchert (Taubenschießen !). Die Maschinen sind fast alle noch da und noch viele Anhängegeräte, viele Binder, Getreidemäher im Geräteschuppen und dahinter. Die Dreschmaschine steht noch auf dem alten Platz, aber ohne Presse.
Von Ihrem Vieh ist nichts mehr da. Die Polen nahmen 20 Klepperpferde, 27 Kühe -teils aus dem Kreis Glatz ((ca.150 km Entfernung)) und einige Schweine. (Alles Vieh war von den russischen Truppen requiriert worden.)
Das (Bennecke-)Gut gehört als Versorgungsgut der polnischen Kreisbauernschaft, die im Hosemann-Haus in Namslau untergebracht ist. Es untersteht daher direkt dem Kommissar und wird bevorzugt behandelt.
Administrator -der Dritte- ist ein ehemaliger Volksdeutscher, Kurowski, der im Wartheland ein Gut verwaltet hatte und sich jetzt im Schikanieren der Deutschen sehr hervortut ! ((Bravo ! Als ‘Volksdeutsche’, wurden 1939 nach dem Gesichtspunkt allein solche eingestuft, die, wenn auch nur gebrochen, dafür aber recht laut „Heil Hitler“ schreien konnten. Dafür wurden aber alte bewährte Vertreter des Deutschtums verfolgt und von den Nazis, welche mit der „zivilen Verwaltung“ ins Land strömten, noch vielfach bestohlen und auch sogar ins „KZ“ befördert.))
Während wo anders auf großen und Kleinen Gütern nur 20 bis 30 % (der Felder) bestellt sind, ist in Strehlitz alles bestellt. Bestellung sehr primitiv und flüchtig. Gepflügt mit acht amerikanischen Schleppern der UNRRA-Traktorenstation: Werkstatt Kittner Namslau.
Die vordere Koppel an meinem Hof war Sportplatz. Die Leutehäuser bei Ulbrich ((Gutsgasthaus)) Getreidespei-
cher((Dazu der eigentliche Speicher, eine ganze Hofseite,ca.100 m lang, mit moderner Beschüttung pp..)). Wirtschaft Georg Rapka beherbergte Mechaniker und Traktoren. Die Felder herum waren Abstellplatz für sämtliche Maschinen der Umgebung, die dort zusammengefahren wurden und nummeriert wurden,-Schlepper,Loko-mobilen, Dreschmaschinen, Binder , Getreide- und Grasmäher, Rechen und sonstiges Gerat. Die umliegenden Häuser und Wirtschaften waren mit Russen belegt. Landjahrlager ((ehem. Auszughaus vom Gut Gottlieb Miosga)),desgl. Gasthaus Gnoth ((Gerichtskretscham ) ) : Ukrainer,-Bäckerei Herrmann: Außenbäckerei,-Windmühle Schmalisch in Betrieb mit Trecker für Russenmehl.-Schule mit 300 Frauen und Mädchen aus Neustadt 0/S belegt, die dort arbeiten müßten ((Neustadt liegt ca.150 km entfernt an der tschechischen Grenze !)). Die Küche dafür ist in der kath. Pfarrei. Kruschhaus ((Geflügel- und Wildhändler)) ist Wäscherei und Badeanstalt ((wohl im Dorfbach !!)). Im Kindergarten ist die Küche für alle Deutschen des Dorfes, die dort ((in der Kolchose)) arbeiten. Karl Klose ((neben dem Gut)):Ziegen- und Schweinefarm. Erbscholtisei Gebr. Herrmann : Milchkühe. Gebr. Herrmann mußten Kühe hüten und schlachten. Sie wohnten zur Russenzeit noch im alten Auszughaus, bis sie von den Polen in die Arbeiterwohnung ausgetrieben wurden. Der alte Seemann teilte mit ihnen das Leid. ( Seemann war auf der Erbscholtisei Herrmann früher Viehfuttermann.) Kurt Herrmann ist von der Miliz ((Zeitpunkt nicht bekannt)) totgeprügelt worden. Sein Bruder ((der sog. „schwarze Max““)) war dabei im Milizkeller. Kam wohl dabei mit dem Leben davon, liegt aber heute noch siech im Bett, ist nicht transportfähig und erwartet den Tod. Ist völlig verarmt und ausgeplündert. Die arme Frau und Töchter ! Ich nehme an, daß hierbei Miess seine Hand mit im Spiel hatte (siehe weiter unten). Ich mußte mit ihm schöntun, damit ich heil herauskam. Maciy ((auch ein großer Nazihäuptling)) ist auch halb tot geprügelt worden, -aber schon im Oktober (1945). Miess nannte sich „Kommandant der Deutschen“ und hatte uns in seiner Hand. Er war zuerst von Gottlieb Miosga als „Hauskommandant“ eingesetzt worden ((was ganz Neues)). ((Herr Miosga hatte Miess 1933 mit in die Gemeindevertretung hineingeschoben, sich damit aber auch schon damals wenig Ehre eingelegt.))
In Miosgas Haus waren als Lager 10 Familien eingepfercht worden : Kilian, Kulok, Stirnagel, Frau Horn, Helmich usw. Miess hatte sich dann im Einvernehmen mit seinen Saufkumpanen in der Miliz zum „Kommandanten der Deutschen“ gemacht. Vorher war es Biniok, der auch seine Tracht Prügel weg hatte. Miess war es zuletzt. Nun fing sein Thron zu wackeln an. Seine Kumpane hatten ihn fallen gelassen. Miess wohnte eine Zeitlang in der Wohnung von Frau Strauss {(Inspektorhaus)) und markierte da den Vogt ! Für seinen Bedarf holte er sich dann das Holz aus dem Gehölz hinter dem Garten. Bei dieser Gelegenheit stelle ich auch fest, daß sonst der Baumbestand Ihres Gartens nicht angegriffen ist. Nur die größte Tanne, eine wundervolle Douglastanne, ist gefällt und zu Weihnachten auf dem Namslauer Ring aufgestellt worden. - Die Grabstätten in Ihrem Garten sind in Ordnung. Auch die Lindenallee nach Lorzendorf zu steht noch. In Wehrhof ((Rateisky)) waren die Kalben.
Die Arbeitszeit begann um 6 Uhr. Jeder empfing einen Teller Suppe und 300 g Brot, - nur wer arbeitete. Kinder und alte Leute hatten das Nachsehen, Mittags gab es dasselbe Essen und Weizengrütze dazu. Und abends um 10 (22) Uhr wieder Suppe und Brot, Man konnte dann schlafen gehen.
Gearbeitet wurde unter russischen Aufsehern , - nur Deutsche, auch Bewohner der aufgezählten Ortschaften waren dabei, mit einem Massenaufgebot von Menschen, Tieren und Maschinen -30 Binder fuhren auf einmal. Russen als Pferdetreiber und wir auf den Maschinen. Die Leute stellten hinterher gleich auf. Ging eine Maschine kaputt, stand der ganze Laden. War es nicht möglich, sie zu reparieren (die Russen fuhren auf Biegen oder Brechen), wurde sie einfach stehen gelassen und vom Maschinenplatz eine andere geholt. Es waren ja so viele dort ! Und ehe sie alle kaputt gefahren waren, war ja die Ernte beendet. Wir haben dort auch viel Lustiges erlebt. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht ? - Auch gab es unter uns Deutschen viel Kummer. Wie oft habe ich, wenn die Stimmung auf dem Nullpunkt angelangt war, wieder Mut in den Haufen hineingetragen!?-
Nach der Ernte wurden Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, die nicht gleich gedroschen wurden, auf Schober gefahren, später weiter gedroschen, -nie Dampf auf dem Felde. Stroh wurde mit Kettenschleppen zur Seite gefahren und verbrannt, desgl. Spreu ! Dann kamen Kartoffeln, Tomaten, Kraut und Möhren dran. Gemüse ca.200 Morgen bei Miosga, Bragulla und Dzillik-Acker. Tomaten wurden, ebenso Kraut, in Ihrem Glashaus gezogen und dann gepflanzt. Die Gärtnerei war im Betrieb. Ein polnischer Gärtner war auch Hauslieferant für die polnische Bauernschaft in Namslau. War alles noch in Ordnung. Ich habe mir öfters Teerosen ((maréchal Niel)) nach Haus genommen.((Bravo, wenigstens mal ein anständiger Mensch.)) Der Wein fing an zu blühen. Das Heizen besorgte die alte Fiebig. Im Garten arbeiteten Gerda Stirnagel und Maria Stannek. Ich habe drei Wochen lang die Gänge und Hecken geschnitten, was sonst Pilarski machte. Der war da, ist aber im April spurlos verschwunden, seine Familie ist Anfang Mal losgegangen, wohin ? Man munkelte, ins Reich oder als Pole ((der er ja war)),um zu siedeln.
Auf Ihrem Acker waren außer Roggen und Weizen ((den wir noch ordnungsmäßig eingesät hatten)) nur an der alten Feldscheune 300 Morgen Kartoffeln angebaut. Die Pferde wurden in der Fonfara-Schmiede beschlagen von Peukert, dem Schwiegersohn von Gustav Fonfara, den die Russen geschnappt hatten. Später wurde dann in Ihrer Schmiede ((Stellmacherwerkstatt)) gearbeitet. Peukert hat sämtliches Eisen, auch von Maschinen, das sich dazu eignete, zu Hufeisen verbrauchen müssen. Als der Stab im November (1945) nach Budapest (!) abzog, fuhr Peukert auch ins Reich. Ebenfalls mußte dort Dr.Anger, der früher Kreistierarzt in Namslau war, arbeiten. ((Von Dr.Anger stammt die erste Nachricht über Strehlitz, die er an die kürzlich verstorbene Frau Miosge, geb.Gerant, aus Reichtal stammend, dann Namslau, übermittelte, die in Haldensieben ihren Wohnsitz hatte. Dr.Anger war danach auf der Suche nach seinen Angehörigen auf der Fahrt nach Rosenberg 0/S und wurde in Grambschütz von den Polen aus dem Zuge herausgeholt und in ein Arbeitslager nach Strehlitz überführt. Dort arbeitete er so lange, bis er wegen eines Unfalles mit Armbruch arbeitsunfähig entlassen wurde und auch durch Namslau kam.)) Seine Wohnung in Strehlitz war die Schule
Im Oktober 1945 war auch unser jüngstes Kind, Rosemarie, an Diphtherie gestorben,- eine Serumspritze hätte es retten können Aber kein Geld und auch kein Arzt. Wir mußten zusehen und konnten nicht helfen.- Es war der Zeitpunkt, als es uns am schlechtesten ging. Zu dieser Zeit sind dort die meisten Leute an Hungertyphus gestorben.
In den Januartagen 1946 sind in Strehlitz 37 Personen erschossen worden u.a Ernst Lyko, Familie Mikolai (Rateisky),Karl Herrmann II., Schuster Hans Kilian, die junge Frau Czekalla.-Pfarrer Ludwig, der katholische Geistliche, soll mit Biniok und Czekalla (auf der Flucht) nur bis Ohlau gekommen sein, wurde dort eingeholt und nach Hause geschickt. Ist mit Czekalla abends über die Wiese nach der Pfarrei gegangen, um zu sehen, wie es dort aussieht. In der Dunkelheit ((er war zudem nachtblind)) und bei starkem wind ist er wohl angerufen und dann erschossen worden. Nach einer Woche wurde er im Schnee verweht aufgefunden. Mein Onkel Karl Herrmann II. lag tot im Misthaufen.- Jetzt ist ein polnischer katholischer Pfarrer in Strehlitz.
Seit Januar 1946 ist ein Waldenburger evgl. Pastor in Namslau, der alle drei Wochen in Strehlitz Gottesdienst abhält. Kirchgänger kommen von allen Himmelsrichtungen, mit weißen Armbinden am linken Arm als Deutsche kenntlich. Kirche voll. Anfang Mai (Ostern und Konfirmation) Menschen bis aus Pitscnen ((0/S über 30 km entfernt)). Orgel zerstört, Fenster zerschlagen ((das eine Fenster war 1397 von einer Ackendorferin gestiftet worden !)),Bänke gestohlen und ins Gasthaus gebracht} aber erst bei den Polen. Bei den Russen geschont. Im Pfarrhaus (evgl.) alles zerschlagen. Bei den Russen war die Kirche Speiseraum und Kino. - Im Schwesternhaus waren jetzt polnische Schwestern, in der Schule zwei polnische Lehrer. ((Die katholische Kirche zu Strehlitz ist mit Anfängen im Jahre 1283 begründet worden, zur Zeit der Reformation lutherisch evangelisch geworden, um zur Zeit des 30.jährigen Krieges wieder katholisch zu werden. Sie besitzt einen wundervoll geschnitzten Altar. Die Schnitzarbeiten erinnern an die Schule Veit Stoß, der seine berühmtesten Werke für Krakau in Polen (Westgalizien) gearbeitet hat. Die Kirche, wie auch ganz besonders der Altar, standen unter dem Schutz des Provinzial-Konservators.- Evangelische Kirche erbaut 1696/97 (neugotisch).)) -Ihr Gutshaus ist noch gut erhalten. Unten wohnte der Administrator, der Buchhalter und das Büro sind im linken Eingang, linkes Zimmer untergebracht. Oben in Ihrem Schlafzimmer wohnt das polnische Hausmädchen. Im großen Speisezimmer steht noch das große Büffet und der große Tisch. Wir haben noch von oben aus den Fremdenzimmern allerhand Möbel, die aber nicht alle von Ihnen stammen werden, in das Eßzimmer getragen, damit es voll ausstaffiert war. Es sah aber mehr wie stilecht polnisch aus ! Das Vorzimmer wurde mit einigen Vitrinen, die vorher als Sachaufheber dienten, und mit anderen Möbeln vollgestellt. Einige Tage darauf fand oben ein Fest der polnischen Bauernschaft statt (Essen und Tanz).- Unten Ihr Bücherschrank, aus dem ich mir manches Buch nahm, oben im Zimmer mit der Nische steht noch der Bücherschrank Ihrer Frau. Ganz oben sind die Jungenbücher in einem Schrank. Sonst ist aber nicht mehr viel vorhanden. Vieles ist zerschlagen, so die Fenster. In der Küche fehlt der elektriscne Ofen und der Kühlschrank.-
Im November 1945 zog der Stab der Kolchose weg. Alles wurde mitgenommen. Ich half beim Aufladen der Möbel aus Ihrem Haus. Der Kapitän nahm 3 Anhänger als persönliches Gepäck mit. Ein polnischer Administrator übernahm das leere Gut. Ein neuer Russenstab, der in Nassadel (Kr.Namslau) stationiert war und dort alles vernichtet hat, setzte eine Filiale (in Strehlitz) ein. Georg Rapkas Haus diente als Wohnung. Nachdem die Russen (im November) abgezogen waren, wurden die oberen Räume Ihres Hauses mit feuchtem Getreide vollgeschüttet. Im April 1946 ist es dann auf den mittlerweile freigewordenen Speicher geschafft worden, woran ich auch beteiligt war und dadurch Ihr Haus in allen Winkeln besser kenne als das meine. Im Kutschstall standen acht Pferde, über dem Viehstall alles voll Hafer und Gerste und der Speicher zur Aufnahme von Roggen und Weizen bereit. Nun ging das Dreschen los. Weizen in Buchelsdorf und Roggen in Lorzendorf - fast alles Schober. Krusch und Zielonka-Schäfer machten Holzhacker, Maciy und ich Maschinist und Heizer. (Betrieb mit Dampflokomobile) Von den 120 Zentnern, die wir täglich(!!) erdroscnen, kamen kaum 50 Zentner auf den Speicher. Das andere Getreide bekam unterwegs Beine und wurde von den Russen in Wodka umgetauscht. Bald lernten wir auch von innen, und wir haben den Winter dann erträglich erlebt.- Nach dem Dreschen kam das Pressen des Heues, das in 29 Schobern von den Feldern und Wiesen der Umgegend hinter Ihrer Feldscheune zusammengefahren war. Leider hatte das Holz Ihrer Scheune und der Lorzendorfer Scheune zum Heizen der Lokomobile herhalten müssen.
Im März 1946 machte sich auch dieser Stab fort und wir mußten wieder auf Ihrem Hof unter polnischer Führung arbeiten, während die anderen Deutschen schon den ganzen Winter unter diesem Joch litten, wir vier Mann hatten bis dahin immer noch den Russenschutz ((!!)) gehabt. Da die Russen alles Wild abschössen, hatten wir auch hin und wieder Rehfleisch bekommen.-
Auf dem Hof war jetzt die Arbeitszeit 11 1/2 Stunden. Jetzt wird sie schon wieder länger sein. Es gab pro Tag 2 kg Roggen und 4 Zloty. Eine Schachtel Streichhölzer kostet 3 Zloty, ein Vier-Pfund-Brot 35 Zloty.
((Hierzu schreibt am 6. Juni 1946 Herr Max Krusch:“ Als Löhnung erhalten wir täglich 2 kg Roggen, 4 kg Kartoffeln und 6 Zloty ((dies wohl bei längerer Arbeitszeit als nach den Angaben des Herrn Herrmann)))).
Wenn nicht jeder Vorräte vom Russen gehabt hätte, wären wir verhungert. Kartoffeln hatte jeder genug, da uns der Russe nehmen ließ, soviel jeder brauchte.((Das Üble war das Fehlen von Fett jeder Art.))
Da es Keine Besserung gab und ich auch nicht mehr, wie andere, immer noch hoffte, daß es anders werden würde, so stand bei mir wie bei Miaciy der Entschluß fest, ins Reich zu fahren. Wer weiß, ob der Pole die Arbeitsfähigen entlassen wird, da ja kein Pole ernsthaft arbeitet. Ich wollte erst 14 Tage später fahren, aber da setzte wieder solch eine Haßwelle ein, die es ratsam erscheinen ließ, zu verschwinden. Einige Tage vorher war der Schmied Wierschin aus Noldau halb tot geschlagen worden (Miliz), Der Frisör Gottscnalk und Fleischer Czech türmten daraufhin.
Wie Sie sehen, habe ich nur einen groben Umriß gezeichnet und schon ist so viel Geschreibsel daraus geworden. Man weiß nicht, wo man anfangen und wo man aufhören toll. Ich habe nun alle meine Papiervorräte verschrieben. Auch schmerzen meine Finger. Und doch ist es nur ein Bruchteil von dem, was zu sagen wäre. Aber ich hoffe, Sie werden wenigstens etwas Einblick in die Verhältnisse gewonnen haben, die sich dort in unserem schönen Strehlitz abgespielt haben. Schön wäre es ja, wenn ich mich mal mit Innen darüber unterhalten könnte. Wir wohnen hier in einem Haus, das zu einem 60 Morgen großen Gut gehört. Besitzer Herr Gifhorn, 1.Verwalter ein Herr Busch aus Ihrem Kreis ((Haldensleben ?))vertrieben, 2.Verwalter ein Herr Seidel, der ein Gut im Warthegau verwaltet hatte (Carlshof). Wir haben 2 Zimmer und Küche. Meine Frau organisiert allerlei, um es etwas wohnlich herzurichten. Ich mache in Rübenakkord Saisonarbeiter. Wir haben dadurch Selbstversorgermarken. Mit der Zeit wird sich ja noch mal was finden. Man darf den Kopf nicht hängen lassen. Hier die Leute verstehen das alles nicht und glauben, in uns einen Ersatz für die polnischen Arbeiter zu haben ! «
Es grüßt Sie
pp.
Ihr ergebener
gez.Martin Herrmann

Herr Max Krüsch schrieb unter dem 6. Juni 1946 noch unter anderem:
„Srehlitz ist wohl im Kreise Namslau das einzige Dorf, das in so guter Kultur steht.“
Im übrigen bestätigt er in seinem Schreiben, daß sich gegen die Zeit, aus der vorstehender Bericht des Herrn Herrmann stammt, nicht allzu viel geändert hat. Mit seinen Grüßen verbindet er die herzlichen Grüße der anwesenden Deutschen des Gutes Strehlitz !!
Damit schließe ich diesen langen Bericht und gebe ihn, dem Wunsche des Herrn Herrmann entsprechend, weiter. Möge er recht vielen alten Strehlitzern bekannt werden.
Ich schließe mit einem Gruß an alle diejenigen aus der alten Heimat, die diesen Bericht lesen.
In alter Schlesierverbundenneit
gez. Carl-Heinrich Bennecke (sen.)

Anhang zu dem Bericht von Herrn Bennecke, Ackendorf, vom I. Juli 1946 aufgrund der Auskünfte von Herrn Martin Herrmann über die Zustände in Strehlitz und dem Kreis Namslau im Jahre 1945/46:

„Es bleiben jetzt nur noch einige meiner (an Herrn Herrmann gestellten) Fragen zu beantworten, die in dem Brief des Herrn Herrmann stofflich nicht recht unterzubringen waren, die aber z.T. sehr von allgemeinem Interesse sind, - wenigstens für uns aus dem Kreise Namslau.
Ich fragte, wer von den alten Strehlitzern noch dort wäre, und zähle diese folgend auf:
Max Herrmann II (sog. „weißer Max“), Frau Lyko. In den Gutshäusern: Hermann Kilian = Nachtwächter, Gastwirt Stirnagel = Tagwächter (!), Kubis = Hofmaurer, Krusch = Ackerkutscher. Seine Frau hatte bis August (1945) die Schweine gefüttert, war dann mit einem Russenauto nach Görlitz gefahren, wo sie sich mit Tochter jetzt aufhält.

gestorben sind:
Neugebauer und Frau an Hungertyphus; Franz Kroworsch mehrfach von der Miliz geschlagen; Gottlieb Miosga an Hunger; Paul Kroworsch zerschlagen und gestorben; Frau Schikora gestorben; Herr Schikora mehrfach verdroschen. Stoschek, Adler ins Reich im Mai geflüchtet,
Katzy, Lassek, Kulok, Frau Nowak und Sohn verdroschenen und nach Kreuzburg vertrieben. Von alten Leuten des Gutes (Bennecke) ist nur noch Frau Maletzki dort. -

Aus der Nachbarschaft:
In Namslau ist Bürgermeister Baumeister Puchalla -auch jetzt noch ((entgegen anderen Meldungen ??)).
In Grambscnütz sind zerstört: Schloß wie auch viele Häuser. In Lorzendorf wird das Schloß als ‘Waisenhaus umgebaut, alles ist verwildert wenig angebaut, soll gesiedelt werden. In Buchelsdorf sehr verwildert, sonst wie Lorzendorf und Grambschütz. Inspektor Wesenberg kam zurück, wurde von der Miliz abgeholt und ist verschwunden. Tot ?
Wachtmeister Cydlik, zuletzt in Noldau, kam zurück: Totgeprügelt Noldau viel verbrannt : Haus Assmann, Inspektorhaus, Fleischer Czech, Haus Dr. Stief.((Nach einer vor Kurzem eingegangenen Nachricht ist Frau Dr. Stief in Freiburg/Schles., hat einen Studienrat Dr.Kaiser geheiratet und betreibt dort eine Praxis,die sehr umfangreich sein soll.)) Mühle Fuhrmann ist im Gange. Fuhrmann selbst ist mit einem Viehtransport der Russen nach Wien unterwegs gewesen.
In Namslau sind der Landrat und der Milizkommandant von den Russen ((!!)) erschossen worden, keine Deutschen.((Diese meine Frage wurde deshalb gestellt, weil von verschiedenen Seiten an mich die Nachricht gelangte, daß in Namslau für die Ermordung eines Polen eine Anzahl - man sprach von ca.50 - Deutsche erschossen worden sein sollten.)) - Die Brauerei Haselbach steht desgl. Landwirtschaftsbedarf in Betrieb als polnisches landwirtschaftliches Wareninstitut. Sägewerk von LWB - früher Winkler - auch in Betrieb.
Die Polen, die zuerst nach Strehlitz kamen, aus der Gegend von Czenstochau und Kielce stammend, waren Lumpen, die nur räubern kamen. Jetzt kommen Polen aus der Bug-Gegend, dies sind anständige Leute, die Russen dort ausgesiedelt haben. -Frage: Welche Strehlitzer haben sich als besondere Freunde der Polen entpuppt ? Antwort: Kein Strehlitzer, ob arm, ob reich, alle werden gepiesackt, und die Katholiken fast mehr als die Evangelischen.-
Zschiesche (Molkereileiter) hat aus der Gegend Dresden geschrieben. Er ist dort in einer Molkerei tätig. Kraus (Gemeindesekretär) soll dort sein. Dort befinden sich auch Seidel ((Kreisbauernführer unseligen Angedenkens)) und Dr. Grothe (Grambschütz)). Beide völlig enteignet und verarmt, haben nur einen blauen Monteuranzug.
In Strehlitz sind folgende Gebäude zerstört: Wehrhof, Mallok, Kuska, Pollozek, Stirnagel, Bartos (alles), Alois Nowak(Scheune), Johann Nowak (Wohnhaus), Alois Kroworsch (Wohnhaus), Lasselk (Stall und Scheune), Polit (Haus und Scheune), Sonnek (Stall und Scheune),einige Wirtschaften in Salescne und Waldbruch. -
Die Zuckerfabrik in Bernstadt ist ausgebrannt. Die „Große Mühle“ in Oels steht.
In Namslau arbeiten Landwirtschaftsbedarf /Maschinenabt. (Winkler) wie alle anderen Maschinen-Reparaturanstalten und Geschäftshäuser als Staatsbetriebe.- Das Überlandwerk arbeitet.-Am 20.Dezember 1945 hatten einige Häuser in Strehlitz Licht. Ich war auch unter den Glücklichen. Das Transformatorenoel hatten die Russen für die Traktoren verwandt. Die Polen haben das Ortsnetz ausgeflickt, und -welch ein Wunder - das Licht brennt, ohne daß Unglücksfälle passieren. In den 5 Monaten ist noch kein Zähler abgelesen worden! Glückliches Land ohne Lichtgeld !
Frage nach der „Figur in Garten“ (es handelte sich um eine „Liana“, deren Original im Louvre in Paris stand und die mein Vater bereits 1873 mit Strehlitz übernommen hatte. Im Volksmund wurde sie die „Schwarze Köchin“ genannt): Sie steht noch, aber zerschossen. Sie dient als Zielscheibe. Davor liegt ein Russe begraben. ((Im ersten ‘Weltkrieg stand auf einem Platz in Chateau Thierry an der Marne die gleiche Diana, vermutlich aus derselben Gießerei ! Sie hatte um den Hals ein Schild hängen: „Requirieren verboten ! Die Ortskommandantur.“ Sie hatte am Hals Durchschüsse von Granatsplittern, also im „ehrlichen Kampf“ erhalten, sozusagen. - Hier die Einschüsse, sicher lange nach Abschluß der Kampfhandlungen, kamen von Bubenhänden. Symbole für die Art beider Kriege !))