Vom 25.-29. April 2004 machte sich eine 14-köpfige
Reisegruppe auf den Weg in die alte Heimat, bzw. in die Heimat der Eltern und Großeltern.
Organisiert hatten die Fahrt Ursel Ratzak (geb. Heinrich) und ihr Bruder Gerhard Heinrich.
Neben den Geschwistern Heinrich und ihren Ehepartnern nahmen Angehörige der Familien
Kubis, Langner, Reigber und Wrona (Wronna) teil sowie Frau Fach und ihre Kusine Frau
Menzel. Eine ganz besondere Gruppe - stellte sich doch heraus, dass fast alle Teilnehmer
(wenn auch untereinander zunächst nicht bekannt), irgendwie miteinander verwandt
waren.
Voller Erwartungen startete also unsere "Großfamilie" am 25. April
von Wangen aus , über Nebra und Naumburg in Richtung Polen. Wir erlebten eine
zügige Grenzkontrolle, wohl eine der letzten vor dem EU- Beitritt Polens, und
mussten uns dann auf einer sehr holperigen Autobahn durchschütteln lassen. Die
relativ lange Anreisezeit wurde durch lebhafte Gespräche und das Erzählen
von Anekdoten über unsere Eltern oder Großeltern erträglich.
Bei der Ankunft in Reichen (heute Rychnow) in der Pension des Ehepaares Studinski wurden
wir sehr herzlich mit einem Sektempfang willkommen geheißen. Nach Zuweisung der
Zimmer und einem üppigen Abendessen kam Herr Kursawe in die Pension, um seine
Namslau - Führung mit uns zu besprechen. Hier ergab sich ein erster reger Austausch
und Herr Kursawe beantwortete viele Fragen. Unter der Führung von Herrn Studinski
machten wir noch einen kurzen Rundgang durch Reichen und sammelten erste Eindrücke
vom ehemaligen Schlesien, bevor wir erschöpft in unsere Betten fielen.
Am Montag, den 26. April machten wir uns in Begleitung von Herrn Studinski auf den
Weg nach Eisdorf. Zunächst ging die Fahrt aber nach Buchelsdorf, wo wir uns mit
Frau Kruk trafen. Sie zeigte uns das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 1.
Weltkriegs und das Nepomuk-Denkmal. Weiter ging es nach Reichtal, dem alten Grenzverlauf
zwischen Deutschland und Polen. Herr Studinski machte uns auf die noch vorhandenen
Einschusslöcher an den alten Grenzposten aufmerksam. Nach einem kurzen Halt in
Kaulwitz fuhren wir nach Schmograu, wo wir uns mit Herrn Tschetzok trafen. Er zeigte
uns die Wirtschaften, nach denen wir suchten. Zunächst die Wronna-Wirtschaft -
hier ergab sich durch die Vermittlung und das Dolmetschen von Herrn Studinski ein Gespräch
mit den derzeitigen Besitzern und auch eine Besichtigung des Hofes war möglich.
Bei den Wirtschaften von Wiesner und Heinrich ergab sich leider kein Kontakt. Weiter
ging die Fahrt mit einem Abstecher nach Glausche, dann zurück über Schmograu
nach Paulsdorf. In einem kleinen Wäldchen fanden sich die Überbleibsel des
ehemaligen Paulsdorfer Friedhofs. Frau Fach hatte diesen auf einer früheren Reise
wiederent- deckt. Es findet sich hier der noch gut erhaltene Grabstein des Großvaters
von Frau Ratzak. Zwei weitere Grabsteine waren nicht mehr eindeutig identifizierbar.
Mit wachsender Aufregung näherten wir uns nun dem Hauptziel der Reise - Eisdorf!
Am Ortseingang stiegen wir aus dem Bus, um das Dorf zu Fuß zu erkunden.
Frau Fach ist durch vorangegangene Reisen sehr ortskundig und wusste Einiges zu berichten,
bzw. auch die einzelnen Wirtschaften zuzuordnen. Herr Studinski knüpfte jeweils
die Kontakte und wir hatten Gelegenheit den ehemaligen Besitz von Wiesner, Heinrich,
Reigber, Langner und Wrona zu besichtigen, zu fotografieren und mit den Bewohnern ins
Gespräch zu kommen. Es ergaben sich auch immer wieder Kontakte zu anderen Bewohnern
Eisdorfs, die zum Teil auch etwas deutsch sprachen. Vieles aus den Erzählungen
der Eltern, Großeltern oder anderer Verwandter wurde nun mit Leben gefüllt,
wurde deutlicher und besser vorstellbar. Die einzelnen Wirtschaften waren in unterschiedlich
gutem oder auch eher schlechtem Zustand anzutreffen. Einige wiesen An- und Neubauten
auf, andere waren inzwischen sehr verfallen oder bereits abgerissen. Sehr berührt
waren alle Reiseteilnehmer als sich zeigte, dass in der Reigber-Wirtschaft noch das
alte Mobiliar der ehemaligen Besitzer vorhanden war. Viele von uns nahmen zur Erinnerung
ein wenig Heimaterde, ein paar Lindenzweige oder gar einen herabgefallenen Dachziegel
mit.
Nach dem ausgiebigen Aufenthalt in Eisdorf setzten wir unsere Fahrt in Richtung Pangau
fort. Hier findet sich in der ehemals evangelischen Kirche noch der alte Taufstein,
der nun von den Katholiken als Weihwasserbecken benutzt wird. Anschließend ein
kurzer Halt in Jacobsdorf, Inge Liebig (geb. Kubis) frischte hier Erinnerungen auf.
Nach einem weiteren Stopp am Weidebachstausee steuerten wir zum Abschluss der Tagesfahrt
noch Michelsdorf an und besichtigten die wunderschöne alte Schrotholzkirche.
Beeindruckt, aber auch sehr erschöpft von den vielen Erlebnissen und Eindrücken
kehrten wir in die Pension zurück. Es erwartete uns wieder ein leckeres warmes
Abendbrot und wir verbrachten einen gemütlichen Abend, zu dem sich auch Frau Kruk
und Herr Kursawe einfanden.
Am Dienstag, den 27.April stand der Besuch von Breslau auf dem Programm, wieder in
Begleitung von Herrn Studinski. Wir besichtigten die Dominsel, genossen einen Blick
über die Stadt, wurden durch die Universität mit der einmaligen Aula geführt,
erlebten Mittagessen in der Mensa und einen Bummel durch die Fußgängerzone.
Leider war hier die Zeit einfach zu kurz. Auf der Rückfahrt machten wir in Oels
noch einen kleinen Rundgang, bewunderten Kirche und Schloss.
Am 28. April, dem letzten Tag unseres Aufenthaltes, wurden wir von Herrn Kursawe durch
Namslau geführt und besichtigten auch die Brauerei. Anschließend fuhren
wir ein letztes Mal nach Eisdorf, um uns in aller Ruhe von dort zu verabschieden.
Zurück in Reichen gestaltete das Ehepaar Studinski einen wundervollen Abschiedsabend
für uns : Essen, Gesang und Tanz am Lagerfeuer mit Musikanten aus Namslau. Wir
waren sehr gerührt und dankbar.
Nach einem sehr herzlichen Abschied und dem Versprechen wiederzukommen, machten wir
uns am 29. April auf den Rückweg, voll beladen mit unterschiedlichen Eindrücken
und Erlebnissen, nachdenklich und mit ein bisschen Wehmut im Herzen.
Marianne Wurche-Gier
(Enkeltochter von Hermann und Emma Wrona aus Eisdorf)
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