Die Kreispatenschaft

1. Warum Patenkreise?'

Von Oberkreisdirektor Dr. Heinrich Martin Rütten


Der Kreistag des Kreises Euskirchen hat in seiner Sitzung vom 22. März 1955 den einstimmigen Beschluß gefaßt, für den schlesischen Landkreis Namslau die Patenschaft zu übernehmen. Wie kam es zu einer solchen Patenschaftsübernahme?
Eine der bösesten Folgen des verlorenen Krieges war die Vertreibung von Millionen Deutschen aus ihrer angestammten Heimat in Ost- und Westpreußen, Schlesien, Pommern und Brandenburg, aus den Sudetenländern, Siebenbürgen und aus vielen anderen Teilen der engeren und weiteren Heimat, wo sie seit Jahrhunderten gesessen hatten. Das arme und zerschlagene Restreich nahm sie auf und versuchte, ihnen Arbeit und Brot zu geben. Nachdem der erste Schmerz überwunden und ein neues Gefühl des Lebenmüssens gekommen war, schlossen sich bei uns in der Bundesrepublik Deutschland die Angehörigen deralten Provinzen zu Landsmannschaften und die Angehörigen der Kreise und Städte zu Einzelorganisationen zusammen, um ihr Heimatgefühl zu erhalten und um in heimatlicher Treue dem anderen zu helfen.
Den Vertriebenen das Gefühl zu geben, nicht allein zu stehen, nicht nur mit eigener Kraft vorwärts kommen zu müssen, sondern den anderen dabei zurSeitezu haben, das waren die Gedanken, die zu den ersten Patenkreisen führten. Diese Übernahme der Patenschaften wurde als gesamtdeutsche Verpflichtung der Kreise und Städte der Bundesrepublik Deutschland empfunden, wobei von den Spitzenverbänden gewisse Grundsätze aufgestellt wurden, nach denen Kreise zu Kreisen, Städte zu Städten geführt werden sollten. Schon vor zwei Jahren hat der Landkreistag den Kreis Euskirchen aufgefordert, sich dem Beispiel der Nachbarkreise anzuschließen. Der Kreis Namslau war uns als Patenkreis empfohlen worden, da er noch nicht von einem anderen westdeutschen Kreis übernommen worden war. Wir haben in den Ausschüssen des Kreises lange mit dem Gedanken gerungen, ob und wie wir es unseren Brüdern aus dem Osten erleichtern können, über ihr Schicksal hinwegzukommen, indem wir eine Patenschaft übernehmen. Das Ergebnis der vielen Besprechungen mitden Vertretern des Kreises Namslau war der einstimmige Beschluß vom 22. März 1955.


ll. Die Begründung der Patenschaft


1. Niederschrift über die Sitzung des Kreistags am 22. März 1955 im großen Sitzungssaal des Kreishauses Euskirchen 2
Auszug
Der Kreistag besteht aus 40 Mitgliedern. Anwesend sind:
Als Vorsitzender: Landrat Heinrich-August Metzler, Iversheim, CDU, und weitere 36 Mitglieder.
Entschuldigt fehlen: Frings, Laurenz, Münstereifel, CDU, Merten, Wilhelm, Weilerswist, CDU, Emunds, Johann, Roggendorf, CDU.
Von der Verwaltung sind anwesend: 1. Oberkreisdirektor Dr. Rütten;
2. die Herren Dezernenten: Kreisrechtsrat Disse, Kreisarzt Dr. Klein, Kreisverwaltungs
rat Dr. Verbeek, Kreisfinanzdirektor Lennartz, Kreisbaurat Dipl.-Ing. Schmitz
Dumont, Kreisschulrat Klempt, Kreisamtmann Krux, Kreisamtmann Felten; 3. Kreisangestellte Wirtz,
die Herren: Landesbahnamtmann z. Wv. Neizel, Referendar Rosenbaum, Kreisinspektor Keul als Leiter des Rechnungsprüfungs- und Gemeindeprüfungsamtes; 4. Kreisinspektor Linden als protokollierender Beamter.
Von der Presse sind anwesend: je ein Vertreter der Kölnischen Rundschau und des Kölner Stadtanzeigers.

Punkt 1: Eröffnung
Landrat Metzler eröffnet die Sitzung um 14.40 Uhr. Er heißt die Herren Kreistagsmitglieder, die Herren der Verwaltung und der Presse sowie die Zuhörer herzlich willkommen.

...
Außerhalb der Tagesordnung:
Punkt 2: Übernahme der Patenschaft für den Landkreis Namslau
Der Kreistag beschließt einstimmig bei Abwesenheit Weber (FDP) die Übernahme der Patenschaft für den Landkreis Namslau. Die für diesen Zweck zur Verfügung gestellten 3000 DM werden außerplanmäßig zur Verfügung gestellt.

2. Die feierliche Kreistagssitzung am 3. November 1955


a) Niederschrift über die festliche Kreistagssitzung am 3. November 1955 anläßlich der Übernahme der Patenschaft über den schlesischen Landkreis Namslau 3

Der Kreistag besteht aus 40 Mitgliedern. An der Sitzung nehmen teil: Als Vorsitzender: Landrat Heinrich-August Metzler, Iversheim, CDU, und weitere 34 Mitglieder.
Entschuldigt fehlen: Jüssen, Robert, Erp, CDU; Kurth, Josef, Zülpich, SPD; Wagner, Nikolaus, Gymnich, SPD; Radmacher, Edmund, Dirmerzheim, FDP. Unentschuldigt fehlen: Riehm, Franz, Erp, SPD.

Von der Verwaltung nehmen teil:
1. Oberkreisdirektor Dr. Rütten;
2. die Herren Dezernenten: Kreisrechtsrat Disse, Obermedizinalrat Dr. Klein, Kreisverwaltungsrat Dr. Verbeek, Kreisfinanzdirektor Lennartz, Kreisbaurat Dipl.-Ing. Fritsche, Kreisvermessungsrat Dipl.-Ing. Schmitz-Dumont, Regierungsbaumeister a. D. Kleuker, KreissparkassendirektorSchlömer, Kriminalkommissar Görig, Schulrat Klempt;
3. Kreisamtmann Krux, Kreisinspektor Keul, Referendar Nehring, Kreisangestellte Wirtz, Kreisinspektor Linden als protokollierender Beamter.

Als Gäste sind anwesend:
1. 32 Damen und Herren des Landkreises Namslau mit Landrat a. D. Dr. Heinrich an der Spitze;
2. Frau Oberregierungsrätin Dr. Ellscheid von der Regierung Köln;
3. die Herren Stadt- und Amtsbürgermeisterdes Kreises mit vierAusnahmen sowie der
Gemeindebürgermeister der Gemeinde Kommern, soweit sie nicht Mitglieder des
Kreistages sind;
4. die Herren Stadt-, Amts- und Gemeindedirektoren des Kreises; 5. Herr Realschullehrer Engels, Euskirchen;
6. zwei Klassen der Mädchenoberschule Euskirchen unter Führung von Studienrätin Frl. Thiele.
Es wirken mit: der Schülerchor der Realschule des Kreises und der Stadt Euskirchen unter Leitung von Studienrat Dr. Sambeth sowie Sprecher der gleichen Schule unter Leitung von Realschullehrerin Frl. Frommer.
Von der Presse sind anwesend Vertreter a) der Kölnischen Rundschau, b) des Kölner Stadtanzeigers.
Ein strahlender Herbsttag liegt über der Kreisstadt, als sich die Damen und Herren des schlesischen Landkreises Namslau unter Führung des letzten amtierenden Landrats von Namslau, Herrn Dr. Heinrich, und die Herren der Kreisvertretung, an der Spitze Herr Landrat Metzler sowie Herr Oberkreisdirektor Dr. Rütten mit seinen leitenden Beamten zur festlichen Kreistagssitzung im Sitzungssaal des Kreishauses versammeln.


Vor dem Kreishause und auch im Sitzungssaal grüßen die Kreisflaggen beider Kreise die Teilnehmer der festlichen Stunde. Der Schülerchor der Realschule Euskirchen unter Leitung von Studienrat Dr. Sambeth eröffnet die festliche Kreistagssitzung mit dem Chor "Brüder reicht die Hand zum Bunde".
Anschließend lassen Schülerinnen und Schüler der gleichen Lehranstalt schlesische Dichter zu Wort kommen. Der Chor "Nichts kann uns rauben" leitet über zur Festansprache des Landrats des Landkreises Euskirchen, Landrat Metzler. Im Verlaufe der Ansprache verliest Landrat Metzlerdie
Patenschaftsurkunde, die, künstlerisch angefertigt, folgenden Wortlaut hat:
"Der Landkreis Euskirchen hat durch einstimmigen Beschluß seines Kreistages vom 22. März 1955 die Patenschaft über den Landkreis Namslau übernommen. Der Kreis Euskirchen soll damit eine neue geistige Heimat für die aus ihren angestammten Landen Vertriebenen werden.
In einem Fenster des Kreistagssitzungssaales wird das Wappen des Kreises Namslau auch in späterer Zeit an diese Patenschaft erinnern. Wir hoffen aber, daß die Fahne des Kreises Namslau und diese Urkunde bald einmal ihren Platz im Sitzungssaal des Kreishauses Namslau in der alten Heimat haben werden.
Metzler
Landrat
Die Fraktionsvorsitzenden:
Fellmann CDU Göring SPD Freiherr von Coels FDP
Dr. Rütten
Oberkreisdirektor"



In der Hoffnung, daß der am Schluß der Urkunde ausgesprochene Wunsch bald in Erfüllung gehen möge, übergibt Landrat Metzleran den letzten Landrat des Landkreises Namslau, Dr. Heinrich, die Patenschaftsurkunde.
Landrat Dr. Heinrich gibt seiner Freude über die Übernahme der Patenschaft mit dem Wunsche Ausdruck, daß sie sich für die Bevölkerung beider Kreise segensreich entwickeln möge. Der Dank des Redners gilt dem Kreistag und seinem Vorsitzer, Landrat Metzler, sowie Oberkreisdirektor Dr. Rütten für die Patenschaftsübernahme. Als sichtbaren Ausdruck des Dankes überreicht Landrat a. D. Dr. Heinrich Landrat Metzler und Oberkreisdirektor Dr. Rütten je ein wertvolles Buch über Schlesien.
Mit dem gemeinsam gesungenen Lied "Mein Schlesierland" und der dritten Strophe des Deutschlandliedes klingt die gehaltvolle Feierstunde aus.


b) Ansprache des letzten Landrats des Kreises Namslau, Dr. Ernst Heinrich, anläßlich der feierlichen Übernahme der Patenschaft durch den Kreis Euskirchen am 11. November 1955 4

Schon viele deutsche Städte und Landkreise im Westen haben Patenschaften für ostdeutsche Städte und Kreise übernommen, und der Gedanke der Patenschaft Euskirchen-Namslau ist schon seit geraumer Zeit zwischen den Vertretern beider Kreise erörtert worden. Es hat vielleicht etwas länger gedauert als bei ähnlichen Verbindungen dieser Art, bis sie zustande gekommen ist. Aber ich glaube, unsere Patenschaft steht unter dem Stern: "Was lange währt, wird gut!" Die steigende Herzlichkeit zwischen den Vertretern des Kreises Euskirchen und des Kreises Namslau bei allen Verhandlungen und der Wille aller Beteiligten, die Wünsche der anderen Seite zu erfüllen, bürgen dafür, daß dieses Patenschaftsverhältnis sich gut und segensreich für beide Teile entwickeln wird. Möge dieser Geist auf die heutige Festversammlung überspringen und sich auf die Bevölkerung beider Kreise ausdehnen, wenn es im Jahre 1956 zum ersten Heimattreffen der Namslauer in ihrem Patenkreis Euskirchen kommt.


Mit der Übernahme der Patenschaft durch den Kreis Euskirchen über den Kreis Namslau wölbt sich ein weiter Bogen über das deutsche Vaterland. Hier eine Landschaft und Menschen, die fest an der westlichen Ecke Deutschlands verankert sind, und dort Menschen, die direkt an der Ostgrenze des Deutschen Reiches ihre Heimat haben. Die Lage Deutschlands im Herzen Europas bedingt es, daß große Wanderungen seiner Bevölkerung stattgefunden haben und daß deutsche Menschen oft unter fremder Herrschaft leben mußten.
Noch vorwenigen Jahren sind wir alle Zeuge deutscher West-Ost- und Ost-West-Wanderungen gewesen. Als der letzte unselige Krieg an die westlichen Tore des deutschen Vaterlandes klopfte, wanderten viele Mütter und Kinder nach Schlesien, das damals der Luftschutzkeller des Deutschen Reiches genannt wurde, und fanden auch im Kreise Namslau für zwei bis drei Jahre eine friedliche Zuflucht. So kam es, daß die Wiege manches rheinischen Jungen und manches rheinischen Mädchens in Schlesien steht. Väter und Großeltern kamen zum Besuch der rheinischen Frauen und Kinder in die Landschaften der Oder und des Riesengebirges. Sie lernten dabei die Schönheiten der Landschaft und die Gastlichkeit seiner Bewohner kennen. Aber dann fluteten die Menschen vom Osten nach dem Westen. Nun weiß jeder von dem anderen, wie dessen Heimat aussieht, und kann ermessen, was der eine verloren und was der andere behalten hat.
Für uns alle ist es unstreitig, dar die rheinische Landschaft alter deutscher Kulturboden ist. Viele Baudenkmäler und Kirchen geben im Kreise Euskirchen davon Zeugnis. Wenn ich einige Worte mehr über die Geschichte des Patenkindes Namslau verliere, so geschieht es, um die Zweifler zu widerlegen und ihnen zu beweisen, dar Namslau ein rein deutsches Patenkind ist. Gerade der Kreis Namslau ist uralter germanischer Siedlungsboden, wo Vandalen und Wikinger schon 500 Jahre v. Chr. ihre Wohnstätten hatten. Dies wird bekundet durch eine grore Anzahl von Fundstätten mit reichhaltigen Belegstücken. Diese ostgermanische Siedlungszeit dauerte bis 450 n. Chr. und wurde abgelöst durch eine Zeit bis 1200, in der Germanen und Slawen in Walddörfern friedlich nebeneinander lebten.


Die Besiedlung Schlesiens mit modernen Dorf- und Stadtformen begann im frühen Mittelalter. Kaiser Karl IV. hatte die Burg und Stadt Namslau besonders in sein Herz geschlossen. Viermal eilte er zwischen 1352 und 1380 von Prag nach Namslau und gab persönlich Anweisungen zur Befestigung der Stadt. Das Wissen um den Trentschiner Vertrag von 1335 sollte Allgemeingutwerden für alle Deutschen; denn in diesem Vertrag verzichtete Polen auf alle vom böhmischen König abhängigen Gebiete. Das bedeutet, daß das Schlesien mit seinen Grenzen von 1335 an bis 1914 ununterbrochen deutsches Gebiet gewesen ist.
Die Ortslagen, die Gutshöfe, die Schlösser und Kirchen, die von 1200 bis in unsere Zeit hinein im Kreise Namslau entstanden sind, künden alle davon, dar nur deutsche Menschen an ihrer Entstehung beteiligt gewesen sind. Durch glückliche Umstände sind uns zahlreiche Bilder und Karten erhalten geblieben, so dar in einer Heimatstube im Patenkreis hoffentlich dies alles zusammengetragen werden kann.


Jeder Mensch, und besonders jeder deutsche Mensch, ist davon überzeugt, dar seine Heimat besonders schön ist. Und wenn ich trotzdem sage, dar Schlesien eine Landschaft von überragender Schönheit war und es trotz aller Kriegsschäden wohl geblieben ist, so möchte ich Sie alle an die Worte Friedrichs des Groren erinnern, der vor 200 Jahren Deutschland von Ostpreuren bis zum Rheinland und von Stettin bis Bayern kannte und doch sagte: "Schlesien ist die Perle in meiner preurischen Königskrone!" Deshalb hat er diese Perle in 23 Friedensjahren so besonders gepflegt, woran der Kreis Namslau durch die Errichtung von etwa 15 neuen Dörfern mitfriederizianischen Namen margeblich beteiligt ist. Aus der Zeit der Freiheitskriege sind die beiden schlesischen Heerführer Fürst Blücher, genannt Marschall "Vorwärts", und Yorck von Wartenburg noch vielen Deutschen bekannt. Yorck von Wartenburg holte sich vor dem Freiheitskriege seine Frau aus der Stadt Namslau.


Ein leuchtendes Beispiel der Treue zum deutschen Vaterland haben die Oberschlesier bei den Kämpfen am Annaberg und bei der Abstimmung im März 1921 gegeben. Der Ostteil des Kreises Namslau gehörte als einziger niederschlesischer Bezirk mit zum oberschlesischen Abstimmungsgebiet. Bei dieser Abstimmung bekannte sich die Bevölkerung fast in jeder Ortschaft mit 100% zu Deutschland.


Wie fest die Namslauer an ihrer Heimat hängen, geht daraus hervor, dar von der Bevölkerung der Stadt Namslau allein zweitausend Menschen nach der Kapitulation im Mai 1945 von der westlichsten Ecke des Sudentenlandes zu Fur zurückgewandert sind in eine Stadt, die von den Polen durch Brandstiftung im Mai 1945 zu 60% zerstört worden war, und dort unter unsäglichen Strapazen zum Teil bis zum Jahre 1957 aushielten, eingesperrt in Kellern, gefoltert und gequält, bestraft, wenn sie deutsche Worte sprachen! Die letzten murten auf dem Namslauer Ring, unserem Marktplatz, das wuchernde Gras zwischen den Pflastersteinen herausziehen, bis sie in Viehwagen nach dem Westen abtransportiert wurden.
Wir dokumentieren heute in aller Öffentlichkeit, dar am 25. März 1955 der Kreistag des Landkreises Euskirchen einstimmig die Patenschaft über den Landkreis Namslau in Schlesien übernommen hat. Ich habe vorhin die Patenschaftsurkunde für den Kreis Namslau aus der Hand von Herrn Landrat Metzler entgegennehmen dürfen. Im Namen der hier versammelten Namslauer möchte ich Herrn Landrat Metzler, Herrn Oberkreisdirektor Dr. Rütten und den Kreistagsmitgliedern herzlichst dafür danken. Nichtvergessen möchte ich die in die Tat umgesetzte Idee von Herrn Oberkreisdirektor Dr. Rütten, das Namslauer Kreiswappen in diesem Saale in einem Fenster anzubringen.


3. Die Entstehung der Patenschaft
Auszug aus der Festansprache von Oberkreisdirektor Dr. Verbeek zum 10jährigen Bestehen der Patenschaft am 8. November 1965 5

Unsere Zeit ist ausgesprochen schnellebig und entwicklungsfreudig; sie neigt daher auch zur Vergerlichkeit. Deshalb ist es sehr nützlich, sich auch nach kurzer Zeit noch einmal die ursprünglichen Ziele für unsere zukünftige Arbeit erneut vor Augen zu führen.
Der Gedanke der Patenschaftsübernahme zwischen dem Kreis Euskirchen und einem ostdeutschen Landkreis wurde erstmals in einem Schreiben vom 4. November 1952 aufgeworfen, das der damalige Geschäftsführer des Nordrhein-Westfälischen Landkreistages und heutige Landesdirektor Dr. Klausa an meinen Amtsvorgänger, Herrn Dr. Rütten, richtete. Herr Dr. Rütten, dem auch die Adresse des letzten Landrats von Namslau, Herrn Dr. Heinrich, genannt wurde, nahm mit diesem Verbindung auf. Die erste persönliche Begegnung fand im Sommer1953 statt, in dem Jahre, in dem auch der Hauptausschur des Landkreises zuerst mit einigen Namslauer Herren zusammentraf, um die Möglichkeit einer Patenschaftsübernahme zu erörtern. Am 9. Dezember 1954 bekundete der Kreisausschur seine grundsätzliche Bereitschaft zur Übernahme einer Patenschaft und ermächtigte zu abschlierenden Verhandlungen. Am 27. Dezember 1954 berieten der damalige Landrat und die drei Fraktionsvorsitzenden mit Namslauer Sprechern: dem Bundestagsabgeordneten Graf Henckel von Donnersmarck, dem letzten Landrat von Namslau, Dr. Heinrich, Oberregierungsrat Dussa, Rektor Kalkbrenner und Bäckermeister Nawroth, der in Euskirchen wohnte und noch wohnt. Beide Seiten bekundeten ihre Absicht, durch Kreistagsbeschlur die Patenschaftsübernahme zu besiegeln. Der Kreistag beschlor die Patenschaftsübernahme am 22. März 1955, die dann am 3. November 1955 in einer Sondersitzung des Kreistages erfolgte.
An dieser Sondersitzung nahmen 60 Namslauer aus dem ganzen Bundesgebiet teil. Neben der Übergabe der Patenschaftsurkunde wurde die Namslauer Fahne im Sitzungssaal aufgestellt und ein Fenster dieses Sitzungssaales enthüllt, in dem das Wappen des Kreises Namslau eingelassen ist.
Die Patenschaftsübernahme bedeutet zweierlei: Einmal bekundet die Patenschaft im übertragenen Sinne den Dank der rheinischen Bevölkerung - vornehmlich der Regierungsbezirke Köln und Aachen - an die Bevölkerung des Kreises Namslau, der in den schweren Kriegstagen Aufnahmegebiet für die aus den bombengefährdeten Teilen des Rheinlandes evakuierte Bevölkerung war. Wir sollten uns auch häufiger dankbar daran erinnern, wie vielfältig die fruchtbaren Wechselbeziehungen seit der Zeit der Besiedlung des deutschen Ostens zwischen der Bevölkerung Westdeutschlands - vor allen Dingen Rheinlands und Westfalens - und den deutschen Ostgebieten in Jahrhunderten gewesen sind.
Der zweite Grund der Patenschaftsübernahme weist in die Zukunft. Herr Landrat Metzler sagte dazu bei der Patenschaftsübernahme: "Der Landkreis Euskirchen ist,soweit es in seinen Kräften steht, bereit, die kulturelle Bedeutung des deutschen Ostens für unser ganzes Volks zu hegen, und er ist weiter bereit, mit den Heimatvertriebenen des Kreises Namslau eine echte Lebensgemeinschaft zu führen und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu pflegen."



1 Fundstelle: Heimatkalender des Kreises Euskirchen 1956, S.16 2 Fundstelle: Kreisarchiv Euskirchen
3 Fundstelle: Kreisarchiv Euskirchen, Tonbandaufnahme der Feierstunde und der Reden bei der anschließenden Kaffeetafel an der Steinbachtalsperre.
4 Fundstelle: Tonbandaufzeichnung, Archiv des Kreises Euskirchen
5 Fundstelle: Namslauer Heimatruf Nr.37, S.4