Die Lerge

Wer je einmal in Breslau war
und dort verlebte manches Jahr
dem ist auch sicher schon vor allem
das Wörtchen „Lerge“ aufgefallen.

Was ist ´ne Lerge, wend´st du ein
´ne Lerge, das kann alles sein:
Ein Mensch, ein Tier, ein Freudenschrei,
ein Wutgeheul, ganz einerlei.

´ne Lerge die kann sein ein Mann
der viel verspricht und wenig kann.
´ne Lerge ist auch eine Frau
die nimmt´s im Haushalt nicht genau.

Und wenn so manches liebes Kind
´ne Lerge ist, wie viele sind.
Ja Lerge, das kann alles sein,
ob Freund, ob Feind, ob Stock und Stein.

Ist irgendwo ´ne Keilerei,
bestimmt ´ne Lerge ist dabei!
Mensch Lerge, wenn ich mich vergesse,
hau ich dir gleich eins in die Fresse!

Dir räum´ ich noch die Wampe ab,
du laus´ge Lerge mach´ och Trapp.
Fasst einer dich vor Wut am Kragen,
verfluchte Lerge, hört man sagen.

Liebt einer gern den Alkohol,
die Lerge ist wohl meistens voll
und wer mir naht, mit Hinterlist,
bei mir ´ne tück´sche Lerge ist.

Weckt aus dem Schlaf dich eine Fliege,
denkst Lerge du, wenn ich dich kriege.
Sticht´s dich im Sommer im Genicke,
´ne Lerge war´s, ´ne kleine Mücke.

Ein Ehemann kommt beschwipst nach Haus
zieht vor der Tür die Stiefel aus,
die Frau jedoch beim Lampenschein
denkt: wart´och Lerge, komm´bloß rein.

´ne Lerge sein, das ist nicht schwer,
´ne Lerge bleiben, ein Malheur,
´ne Lerge werden, ist kein Glück,
doch eine sein, ein Meisterstück.

Manfred Wenzel