Groß Marchwitz / Smarchowice Wielkie

von Dr. Roman Neugebauer

Inhalt:
Geschichte des Ortes und die Bedeutung des Ortsnamen
Die Dorfform
Das Gut Polnisch Marchwitz bzw. Groß Marchwitz im 19. Jhdt

Skizze des Rittergutes Groß-Marchwitz
Groß Marchwitz / Smarchowice Wielkie: Heute

Gross-Marchwitz -ein Leben auf einem Rittergut in Schlesien zu Beginn des 20.Jahrhunderts

Die Siedelung in Groß-Marchwitz

Geschichte des Ortes und die Bedeutung des Ortsnamen

Groß Marchwitz / Smarchowice Wielkie ist ein Vorort von Namslau (Namyslòw), das etwa 3 km östlich von Namslau liegt.

Marchwitz ist ein Ortsname, der sich mehrfach im Kreis Namslau findet (Windisch- Deutsch-, Groß-, Neu Marchwitz).

Eine unbekannte Quelle liefert die historische Entwicklung des Ortsnamen: Die erste Erwähnung
Smarchow (Datum unbekannt), 1294 Smarchowit 1374 Smarkewitz. Der Ortsname setzt sich aus den beiden Wörtern Smarch bzw. Smark und der Endung -witz (pol. -wice) zusammen.
Wie Smardt im Kreise Kreuzburg, Schmarse im Kreise Oels, geht Smarch bzw. Smark auf das polnische Smardz (Smard, Smerd, Smurd) = Smarde zurück. Die Endung -witz hat den Ursprung im lateinischen Wort vicius gleichbedeutend mit Besitzung, Gut, Landgut, Quartier, Stadtviertel, Straße, Dorf, Ort. Daraus folgt die unmittelbare Bedeutung: Smarchowitz = Der Ort der Smarden.

Die Bezeichnung Smarde war in Polen, Russland und in der Lausitz im frühen Mittelalter für freie Bauern gebräuchlich, die nur dem Fürsten untergeordnet waren. Diese Bauern lebten und wohnten ähnlich wie die Handwerker in besonderen Dörfern zusammen. In diesen Dörfern lebten aber auch, wie Urkunden belegen Leibeigene und Hörige, die zu den niedersten Dienstleistungen herangezogen wurden.

Im Kreis Namslau sind gleich drei Ort, die den Ortsnamen Marchwitz tragen. Groß Marchwitz (früher Polnisch Marchwitz), Deutsch Marchwitz und Windisch Marchwitz. Den Beinamen polnisch, deutsch, windisch verdanken die Orte vermutlich ihren Gründern. So ist z. B. bekannt, dass Windisch-Marchwitz seinen Namen wendischen (Sorbischen/Tschechischen) Ansiedlern verdankt, die um 1400 einen Teil des Dorfes "Spremberg" genannt haben.
Wenn diese Annahme richtig ist, so ist vermutlich Polnisch Marchwitz neben Windisch Marchwitz, das Älteste der drei Marchwitz-Dörfer, da der Kreis Namslau, historisch folgender Herschafft unterworfen war: ehemals mährischer, dann zum piastischen Polen, anschließend zu Böhmen, zum Heiligen Römischen Reich, zu habsburgischen Österreich, zu Preußen, zu Deutschland gehörte. Heute gehört der Kreis Namslau zu Polen.

Unter der deutschen Herrschaft erhielt der Ortsname vermutlich die "eingedeutschte" Form
Marckwitz bzw. einige Jahrzehnte später seine ursprüngliche Form Marchwitz.
Die deutsche Ableitung "Marck" bzw. "March" bedeutet hier Gemarkung oder Mark. Darunter versteht man den gesamten Wirtschafts- und Rechtsbereich einer Siedlung mit sämtlichen Häusern und Höfen, dem Ackerland, den Wiesen und den Weiden, Plätzen, Wegen und Brücken, dem Wald, der Heide, dem Ödland und dem Gewässer.
Die Grenzen der Gemarkung wurden, falls nicht bestimmte Höhenzüge oder Flüsse zur Verfügung standen, durch Grenzsteine und markierte Bäume kenntlich gemacht. Die Grenze und die Grenzzeichen galten als unverletzlich, und Grenzfrevel wurde hart bestraft.

Die Umbenennung von Polnisch Marchwitz zu Groß Marchwitz erfolgte im Jahre 1898.
Die Hintergründe waren hier wohl die Gleichen wie bei der Umbenennung von Polnisch Wartenberg in Groß Wartenberg, dass nahezu in der Gleichen Zeit umbenannt wurde:

"... die seit Ende des 17. Jahrhunderts im postalischen Interesse üblich gewordene
Bezeichnung unserer Stadt mit "Polnisch" Wartenberg, durch welche sie bei Fremden
in ein falsches, wenig günstiges Licht gekommen war, abzuschaffen."


Nach 1945 erfolgte die letzte Umbenennung von Groß Marchwitz in Smarchowice Wielkie.

Abb.1: Groß Marchwitz im Kreis Namslau

Die Dorfform

Der innere Anschluss der schlesischen Piasten an den deutschen Westen wurde durch Heiraten mit deutschen Fürstentöchtern gestärkt, so durch Heinrichs I. (1202-38) Ehe mit Hedwig von Andechs, die, 1267 heilig gesprochen, als Landespatronin bis heute verehrt wird. Stärker als zuvor wurde durch Heinrich I. die Ansiedlung deutscher Bauern, Handwerker, Kaufleute und Bergknappen, die in der Mehrzahl aus dem thüringisch-obersächsischen Raum kamen, von den Landesherren gefördert. Die Grundherren warben sie aus wirtschaftlichen Gründen an, und die Weiterentwicklung der schlesischen Kulturlandschaft geschah ohne Rechtsbrüche. Waldhufen- und Straßendörfer waren die typische bäuerliche Siedlungsform.

In den Straßendörfer befinden sich die Hofstätten im Abstand von ungefähr 100 m ein- oder doppelzeilig an einer Straße aufgereiht. Die dazugehörigen Felder sind jedoch in der ganzen Gemarkung verstreut, was den Flurzwang zur Folge hat. Straßendörfer wurden im 11. - 13. Jh. besonders in Ost- und Ostmitteldeutschland angelegt.

Rings um das Dorf erstreckte sich das Ackerland, das in große Feldblöcke, Gewanne genannt, eingeteilt wurde. Diese Blöcke waren wiederum in kleine Streifen oder Parzellen untergliedert. Jeder Bauer des Dorfes besaß ein oder mehrere Parzellen in jedem Block, zu denen jedoch im Allgemeinen keine Feldwege führten. Man konnte sein Stückchen Land nur über die Felder der Nachbarn hinweg erreichen. So musste für alle Bauern eines Dorfes durch eine strenge Flurordnung (Flurzwang) die Zeit des Säens und des Erntens genau festgelegt werden. Nach der Ernte wurde das gesamte Ackerland als gemeinsame Stoppelwiese für das Dorfvieh benutzt. Und wehe dem Bauern, der den angesetzten Erntetermin versäumt hatte. Er konnte nur zusehen, wie das aufgetriebene Vieh sein nicht geerntetes Getreide zertrampelte und auffraß. Zwischen den Ackerflächen lagen z.T. noch an den Flüssen und Bächen Wiesenländer, die von den einzelnen Hofbauern individuell bewirtschaftet werden durften.

Jenseits dieses Acker- und Wiesengürtels erstreckte sich die Allmende oder gemeine Mark, die von den Bauern gemeinschaftlich genutzt wurde. Im Mittelalter galt die Regel, dass man, je größer der Hof war, umso mehr Allmendnutzungsrechte besaß.

Zur Allmende zählten die Wälder, Wiesen, Heideflächen, Moor- und Wassergebiete. Die Allmendnutzung war damals sehr vielfältig. Der Wald z.B. war nicht nur zur Gewinnung von Bauholz und Brennholz wichtig. Aus ihm wurden auch Beeren und Pilze zur Erweiterung des Speiseplans gesammelt. Im Herbst trieb man die Schweine unter der Aufsicht eines Dorfhirten zur Eichelmast in die Wälder. Im Winter sammelte man hier Laub als Streu für die Viehställe. Honig gewann man durch die Waldbienenzucht. Ursprünglich waren den Bauern in der Allmende auch das Jagen und Fischen erlaubt. Aber im Laufe des Mittelalters wurden der ländlichen Bevölkerung diese Rechte durch die Grundherren genommen.

Das Gut Polnisch Marchwitz bzw. Groß Marchwitz im 19. Jhdt

Aus den schlesischen Güteradressbüchern lässt sich einiges über das Gut Groß Marchwitz erfahren.
Im schlesischen Güteradressbuch von 1873 ist Polnisch Marchwitz als Dominium (Rittergut) verzeichnet.
Das Rittergut Polnisch Marchwitz war seit dem Jahre 1840 im Familienbesitz des Majors Guido von Busse und seiner Ehefrau Elisabeth von Busse geb. von Keyserling. Guido von Busse war zwischen 1852 und 1866 Abgeordneter im Preußischen Abgeordnetenhause. Im Preußischen Abgeordnetenhause war der Kreis Namslau gemeinschaftlich mit den Kreisen Oels und Groß Wartenberg durch drei Abgeordnete vertreten.

Leider erfahren wir nicht, wer der Vorbesitzer des Rittergutes Polnisch Marchwitz vor dem Jahre 1840 war.

Die folgende Tabelle gibt die Größe von Polnisch Marchwitz um das Jahr 1873 wieder.
Zu beachten ist, dass neben der großen Ackerfläche auch eine große Waldfläche bewirtschaftet werden musste.


Größe in Morgen

Äcker

Wiesen

Wald

Wasser

Summe

1572

471

807

-

2850

Tabelle 1: Polnisch Marchwitz im Jahre 1873

Zum Dominium gehörte 1873 neben den landwirtschaftlichen Anlagen auch eine Brennerei.

Im schlesischen Güteradressbuch von 1912 also nach der Umbenennung von Polnisch Marchwitz in Groß Marchwitz. Ist das Dominium immer noch im Besitz der Familie von Busse. Verzeichnet sind hier Frau Elisabeth von Busse und Guido von Busse, Premierleutn. a.D.. Verwaltet wurde das Dominium durch den Inspektor Herrn R. Zieroth.

Im Güteradressbuch ist verzeichnet, dass die landwirtschaftlichen Flächen teilweise in Parzellen verpachtet sind.
Die untenstehende Tabelle zeigt die Größe (in Hektar) von Groß Marchwitz um das Jahr 1912 an.

Größe in Hektar

Äcker

Wiesen

Wald

Wasser

Summe

378

120

207

-

738

Tabelle 2: Die Größe von Groß Marchwitz im Jahre 1912

Hinzu kommen 33 Hektar, zu denen Park, Gärten, Hof gehörten. Darüber hinaus sind im Güteradressbuch eine Dampfbrennerei, Feldziegelei und eine Mühe verzeichnet

Groß Marchwitz / Smarchowice Wielkie: Heute

Groß Marchwitz hat seine ursprüngliche Form des Straßendorfes beibehalten. Die Gehöfte sind dicht nebeneinander zu beiden Seiten der Straße angeordnet. Die Scheunen bzw. Ställe wurden hinter dem Wohnhaus parallel zur Straße angeordnet, so dass sie, ähnlich einer Stadtmauer, Schutz vor Feinden boten

Dies war sehr wichtig, denn die Bewohner von Groß Marchwitz hatten es etwa 6 km bis zum befestigten Stadtkern von Namslau.
Die Namslauer Chronik erwähnt Groß Marchwitz zweimal (Dreißigjähriger Krieg und 1. Schlesischer Krieg). Bedauerlicher Weise steht die Erwähnung jedes Mal mit dem Durchmarsch von Soldaten in Zusammenhang.