Fluchtvorbereitung Von Amtsgerichtsrat Werner Partheil
Am Anfang der Fluchtwoche mußte ich dafür sorgen, daß die sicherzustellenden Sachen des Amtsgerichts Namslau nach Liegnitz verlagert wurden. Die Firma Erich Kynast stellte einen Lkw zur Verfügung, auf den alles verladen wurde.


Donnerstag vormittag (17.Januar 1945) wurden die Behördenvorstände in Grimms Hotel bestellt, wo uns der Kreisleiter Fischer Näheres über die Fluchtvorbereitungen mitteilte. Er stellte die Lage als nicht so heikel dar: Die Russen seien bei Tschenstochau zurückgeschlagen worden. Die Stadtbevölkerung werde mit Pferdefuhrwerken abtransportiert. Jedes Dorf habe eine bestimmte Anzahl Wagen zu stellen. Der Räumungsplan für Stadt und Kreis Namslau sei schon vor Monaten aufgestellt, aber innerhalb der politischen Leiter geheimgehalten worden.


Als ich wie gewöhnlich am Freitag morgen um 8.00 Uhr in die Stadt zum Gericht ging, fiel mir eine gewisse Unruhe auf: Die Leute standen herum und unterhielten sich aufgeregt.


Auf dem Gericht entfernte ich aus den Personalakten laut Anweisung die vorgehefteten Personalbögen. Am Nachmittag ging ich noch einmal ins Gericht und verbrannte diese in der Heizung. Auf dem Heimweg sah ich in nördlicher Richtung den Feuerschein einer in Kaulwitz brennenden Scheune; der Sanitätspark verbrannte dort das eingelagerte Material. In den noch offenen Geschäften standen viele Leute, die auf Marken die vierfache Menge Fleisch bekamen; auch im Schuhgeschäft Woitschig war viel los.


Am 19. Januar1945 gegen 20.00 Uhr kam unser Nachbar Baumeister Julius Gollnisch zu uns. Er habe von Aust, seinem Volkssturmvorgesetzten, die Erlaubnis, uns sein Pferdefuhrwerk zur Verfügung zu stellen; der Kastenwagen sei zwar noch mit Koks beladen, das einzige Pferd sei bissig und ein Schläger, der Kutscher Przyrodek sei beim Volkssturm, er habe sonst niemanden; wenn ich einen Kutscher besorgen könnte, könnten wir losfahren, er werde mitkommen. Ich dachte gleich an unseren Oberwachtmeister Julius Knepper. Im Hofe des Grundstücks von Herrn Gollnisch entluden wir den Kastenwagen, während Knepper sich bemühte, das Pferd aus dem Stall zu bringen. Es gelang ihm nicht einmal, diesem das Halfter über den Kopf zu ziehen. Herr Gollnisch holte nun hinten aus der Baracke einen Polen, der mit dem Pferde fertig wurde, es einspannte und für den Wagen auch eine Schütte Stroh besorgte.


Wir holten schnell unsere Sachen herunter. Alles luden wir auf den Kastenwagen auf. Die Kinder (4, 6 und 8 Jahre) setzten wir in die Betten auf das Stroh. Hinten an den Wagen hängten wir den leeren Leiterwagen. Dann fuhren wir los ...


Auszug aus einem unveröffentlichten Bericht