50 jähriges Bestehen der Patenschaft des Kreises Euskirchen über den Kreis Namslau

eine Chronologie von Christa Ulke

eine Bilanz von Wolfgang Giernoth

50 jähriges Bestehen der Patenschaft des Kreises Euskirchen über den Kreis Namslau - eine Chronologie

von Christa Ulke

"Der Landkreis Euskirchen hat durch einstimmigen Beschluss seines Kreistages vom 22. März 1955 die Patenschaft über den Landkreis Namslau übernommen. Der Kreis Euskirchen soll damit eine neue geistige Heimat für die aus ihren angestammten Landen Vertriebenen werden. Im Fenster des Kreistagssitzungssaales wird das Wappen des Kreises Namslau auch in späterer Zeit an diese Patenschaft erinnern. Wir hoffen aber, dass die Fahne des Kreises Namslau und diese Urkunde bald einmal ihren Platz im Sitzungssaal des Kreishauses Namslau in der alten Heimat haben werden.
Metzler, Landrat
Dr. Rütten, Oberkreisdirektor
Die Fraktionsvorsitzenden:
Fellmann, CDU
Göring, SPD
Freiherr von Coels, FDP"

Eine kunstvoll gestaltete Urkunde mit obigem Wortlaut übergab Landrat Metzler am 3. November 1955 in einer feierlichen Kreistagssitzung an Dr. Heinrich, den letzten Landrat des Kreises Namslau. Sie hat ihren Platz in der "Namslauer Stube" im Kreishaus Euskirchen.

Die Vorgeschichte dieser Partnerschaft beginnt mit dem Jahr 1945. Die Bewohner der deutschen Ostgebiete werden nach dem verlorenen zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat vertrieben: Millionen Menschen aus Pommern, Ost- und Westpreußen, Sudetenland, Siebenbürgen und auch Schlesier verlieren nicht nur ihr Hab und Gut, sie verlieren ihre Familie, ihre Freunde und Nachbarn.

Geschichte des Kreises Namslau bis 1945
Die Stadt Namslau liegt am linken Ufer der Weide, einem Nebenfluss der Oder, etwa 60 km östlich der schlesischen Landeshauptstadt Breslau. Die Erbauung der Stadt beginnt im Anfang des 11. Jahrhundert (nach einer Chronik von Pastor Liebich). 1233 erhält Kaplan Ägidius von Namslau ein Gebiet im NO "zur Ansiedlung von Romanen, Deutschen und anderen Gästen" in deutschem Recht und deutscher Freiheit verliehen. 1239 wird ein herzoglicher Hof Heinrich II., des Frommen zu Namslau erwähnt. Am 14. 3. 1249 verleiht Heinrich III. das deutsche Stadtrecht nach Magdeburger Muster. Ende des 13. Jahrhundertwerden eine Pfarrkirche und ein Franziskanerkloster beurkundet.

Im 14. Jahrhundert entstehen auf Befehl Karls IV. die Stadtmauer, das Schloss und das Rathaus. 1422 bestä - tigt Kaiser Sigismund der Stadt ihre Rechte auf Privilegien, dazu gehört das Braurecht ,ab 1431 auch das Münzrecht. 1434 Gründung der heute noch lebendigen Schützengilde. 1741 wird Namslau Kreisstadt und ab 1810 Garnisonsstadt des 2. Schlesischen Ulanenregiments. 1868 hält der erste Zug der Strecke Breslau - Kreuzburg im Bahnhof Namslau. 1921 muss aufgrund des Versailler Vertrages ein Zehntel des Kreisgebietes, das "Reichthaler Ländchen", an Polen abgetreten werden. Namslau wird dadurch östlicher und kleinster Grenzkreis. Den Kreis bewohnen 1939 etwa 30 000 Einwohner, davon ca. 8000 in Namslau. Viehwirtschaft, Handwerk, Brauwesen und landwirtschaftliche Industrie bilden die Struktur der Wirtschaft auch in den 46 Landgemeinden. Der Winter 1944/45 konfrontierte die Bevölkerung Namslaus mit den ersten Fliegerangriffen. Bomben fielen, Angst und Ungewissheit nahmen zu. Am bitterkalten 19. Januar 1945 wurde die totale Räumung des schlesischen Kreises
Namslau befohlen, nachdem das Nahen der russischen Panzer zu sehen und zu hören war. Mit der Bahn und in endlosen Trecks zogen die Menschen aus ihrer Heimat.
Pastor G. Röchling aus Namslau gelang es, mit Rundbriefen seine "Schäfchen" zu finden und mit Familiennachrichten zu versorgen

Beginn der Patenschaft
Westdeutschland, vom Krieg selbst sehr geschlagen, bemühte sich, den Vertriebenen in Form von Patenschaften (Kreis zu Kreis) einen Ort neuer Beständigkeit und auch mutigen Aufbruchs zu bereiten. Im Jahr 1953 forderte der Landkreistag den Kreis Euskirchen auf, den vorgeschlagenen Kreis Namslau als Patenkreis zu übernehmen. Nach vielen Besprechungen mit Vertretern beider Kreise steht im Protokoll der Kreistagssitzung vom 22. März 1955:... "Der Kreistag beschließt einstimmig bei Abwesenheit Weber (FDP) die Übernahme der Patenschaft für den Landkreis Namslau. Die für diesen Zweck zur Verfügung gestellten 3000 DM werden außerplanmäßig zur Verfügung gestellt."
Am 3. November 1955 versammeln sich im Sitzungssaal ° des Kreishauses Herren der Kreisvertretung, Herr Landrat Metzler an der Spitze, Herr Oberkreisdirektor Dr. Rütten£rnit seinen leitenden Beamten und 32 Damen und Herren des schlesischen Landkreises Namslau unter Führung des letzten amtierenden Landrats von Namslau,Herrn Dr. Heinrich, zu einer feierlichen Kreistagssitzung anlässlich der Übernahme der Patenschaft. Die Patenschaftsurkunde wird übergeben.

Am 19. Mai 1956 kommen in Euskirchen etwa 700 Bewohner des Kreises Namslau zum ersten Heimattreffen und zur Gründung des Vereins "Namslauer Heimatfreunde e.V." zusammen. Erster Vorsitzender wird Oberregierungsrat Hans Dussa. Peter Baron aus Namslau organisiert als Leiter des "Patenschaftsamtes" die ersten vier Treffen mit Freude und Erfolg, unterstützt von der Bereitschaft der Verwaltung, d.h. vielen Helfern. Der "Namslauer Heimatruf erscheint erstmalig. Bis heute erhält jedes Mitglied des Vereins vierteljährlich dieses "Mitteilungsblatt der Bundesheimatgruppe des Kreises
Namslau / Schlesien, einschließlich des Reichthaler Ländchens". Der Kreis Euskirchen übernimmt Druck und Versand. - Dieses Treffen endet am Pfingstmontag mit einer Busfahrt durch den südlichen Kreis Euskirchen.
Zum zweiten Heimattreffen, Pfingsten 1958 in Euskirchen, begrüßt Landrat Rudi Blaß die Namslauer und Paten in den Concordia-Sälen. Der Findlingsstein mit der Aufschrift NAMSLAU SCHLESIEN UNVERGESSEN erhält seinen Platz vor dem Kreishaus. Dr. Lober, letzter Bürgermeister in Namslau, hält die Weiherede, OKD Dr. Verbeek übernimmt das Mahnmal in die Obhut des Kreises. Die Euskirchener St.-Sebastianus-Bruderschaft und die Namslauer Privilegierte Schützengilde von 1434 beginnen ihre fortwährende freundschaftliche Verbindung mit einem gemeinsamen Schützenfest. Eine neue Namslauer Schützenkette stiftet der Patenkreis.
1960 findet das dritte Heimattreffen statt. Auch Namslauer aus der DDR reisen an. Das Kolpinghaus ist überfüllt während der Mitgliederversammlung. "Die ganze Stadt war mit den Fahnen zu Ehren der Namslauer geschmückt." So steht es in einem Bericht. Die Zeitungen schreiben ausführlich über das festliche Treffen. Ein Höhepunkt ist die Ausstellung "Schlesisches Land". Albrecht Haselbach, ehemaliger Besitzer der Brauerei, stellt hierfür einen Teil, seiner aus dem Namslauer Schloss geretteten Kunstschätze zur Verfügung, viele Namslauer leihen Kostbarkeiten aus: Stiche, Bücher, Akten, Zeitungen. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen schickt Pläne und Fotos. Das Namslauer Brau-Urbar, eine Urkunde von Kaiser Joseph 1. unterzeichnet und im Jahr 1709 besiegelt, verlieh der Ständevertretung das Recht des Brauens und Ausschenkens von Bier. Dieses Schriftstück ist ein Höhepunkt der Ausstellung. Es wird vom Kreis Euskirchen für die Namslauer Chronik von Graf Saurma erstanden. Die Oberrealschule Euskirchen beteiligt sich durch Leihgaben, Realschullehrer Hermann Schmitz stellt die Ausstellung mit viel Sachkenntnis zusammen.

Das vierte Heimattreffen 1962 versammelt die Namslauer in der Schützenhalle an der Erft und verläuft "nach Tradition": Herzlicher Empfang, Mitgliederversammlung, Heimatabend, Dia- oder Filmvorführung, Kranzniederlegungam Mahnmal mit Ansprache des Landrats und das Schützenfest. Der Präsident der Euskirchener Schützen, Herr Wagner, ehrt den Namslauer Schützenkönig .

Zum fünften Treffen 1964 begrüßt Landrat Rudi Blaß wieder eine große Gruppe Namslauer Kreisbewohner an den Pfingsttagen. Der plötzliche Tod von Peter Baron im September 1962 bestürzt die Heimatfreunde. Sein Nachfolger im Patenschaftsamt wird für 16 Jahre der unermüdliche Organisator Paul Schmitz. Er führt die Namslauer Heimatkartei mit 15 000 Anschriften. Das Bundesverdienst- kreuz und die silberne Ehrennadel des Bundes der Vertriebenen werden ihm verliehen. Aus Anlass einer Jahresveranstaltung im Januar 1965, überreicht der Vorsitzende der Namslauer Heimatfreunde, Hans Dussa, der St.-Sebastianus-Schützenbruderschaft in Euskir- chen ein Fahnenband mit gestickter Inschrift und den Wappen beider Städte zum Zeichen des Dalikes und der Verbundenheit.

Beim sechsten Treffen 1966 wird der erste Band des Buches "NAMSLAU" an OKD Dr. Verbeek überreicht. Günther Kelbel, zweiter Vor- sitzender der Namslauer Heimatfreunde und Autor, hat es mit Hilfe von Hans Dussa, Albrecht Haselbach und Herrn Kittner erarbeitet. Es enthält Beiträge zur Geschichte der Stadt Namslau, urkundliche Schriftstücke, Ortspläne und schlesisches Kulturgut. Großer Dank gebührt dem Kreis Euskirchen für die finanzielle Unterstützung.

1968, das siebte Pfingsttreffen, 500 Teilnehmer reisen an. Am Grab von Dr. Verbeek legen die Namslauer einen Kranz nieder. Das Treffen und die Ausstellung "Namslau und der deutsche Osten" werden in die 150-Jahr-Feier des Kreises Euskirchen einbezogen. Landrat Rudi Blaß und Bürgermeister Jakob Kleinertz begrüßen die Paten aus Namslau.

Das achte Große Heimattreffen im September 1970 versammelt die Teilnehmer in Bad Münstereifel, weil nicht ausreichend Quartiere in Euskirchen zur Verfügung stehen. Im Burgsaal finden alle Begegnungen statt, selbst das Schützenfest.

1972, neuntes Großes Heimattreffen, wieder in Bad Münstereifel. Die Namslauer Heimatfreunde trauern um ihren ersten VorsitzendenHans Dussa. Fast 500 Teilnehmer erleben neueste Bilder aus dem jetzt polnischen "Namyslöw" beim traditionellen Lichtbildervortrag mit Arthur Kalkbrenner. Die Münstereifeler Schützen und die Euskirchener St.-Sebastianus-Schützen sind mit ihrem Präsidenten Herrn Wagner Teilnehmer des Schützenfestes. Zahlreiche Namslauer besuchen zum Abschluß des Treffens den nördlichen Kreis Euskirchen und Kloster Steinfeld.

Zehntes Großes Heimattreffen, Pfingsten 1974 in Euskirchen. Wie immer werden die Angereisten in den Räumen der Kreissparkasse empfangen. Günther Kelbel ist jetzt 1. Vorsitzender der Namslauer Heimatfreunde. Walter Maschler organisiert den Ablauf des Festes und erstellt eine Festschrift. Im Haus der St.Sebastianus-Schützen fühlen sich die 500 Namslauer wohl.

Im Jahr 1975, am 10. Oktober, findet im neuerbauten Kreishaus am Jülicher Ring eine Festsitzung des Kreistages statt. Anlass ist das 20jährige Bestehen der Patenschaft mit dem Kreis Namslau und die Eröffnung der "Namslauer Heimatstube" im Kreishaus. In seiner Rede würdigt der Vorsitzende der Namslauer Heimatfreunde Günter Kelbel die Bereitschaft des Kreises Euskirchen, die Patenschaft mit Leben zu erfüllen, die Heimattreffen zu organisieren, die Heimatkartei zu führen, die Weihnachtsaktionen zu unterstützen, große Ausstellungen mit Kulturgut zu versehen, Urkunden zu erstehen, ein Mahnmal zu errichten und vieles mehr. Er dankt für die finanzielle Unterstützung. Eine neue Patenschaftsurkunde wird unterzeichnet. Sie hängt in der Namslauer Heimatstube. Ihr Text lautet:
"Der Kreis Euskirchen hat durch einstimmigen Beschluss seines Kreistages am 25. März 1955 die Patenschaft über den schlesischen Landkreis Namslau übernommen. Der Kreis Euskirchen soll damit eine neue, geistige Heimat für die aus ihrer angestammten Heimat Vertriebenen werden. Diese Patenschaft besteht 20 Jahre. Sie wird mit dieser Urkunde feierlich bekräftigt am 10. Oktober 1975." Es unterzeichnen Landrat Blaß, OKD Dr. Decker, CDU-Fraktionsvorsitzender Küpper, SPDFraktionsvorsitzender Mahlberg und FDPFraktionsvorsitzender Dreeßen

Zum elften Großen Heimattreffen 1976 begrüßt OKD Dr. Karl-Heinz Decker die Namslauer im neuen Kreishaus am Jülicher Ring.

1978, zwölftes Treffen in Euskirchen. Die Namslauer feiern das 700jährige Bestehen ihrer Stadt. Im Euskirchener Stadttheater hält Dr. Herbert Hupka, MdB, die Festrede. Der große Gedenkstein wird vor dem neuen Kreishaus symbolisch in Namslauer Erde gesetzt. Er mahnt weiterhin NAMSLAU SCHLESIEN UNVERGESSEN. Jedes Jahr am 1. November treffen sich Namslauer dort, um der Toten in der Heimat und fern der Heimat zu gedenken. Der Ausflug zur St.-Laurentius-Schützengilde in Marmagen bildet den fröhlichen, unvergessenen Abschluss der Pfingsttage.

Das 13. Treffen 1980 wird zu Recht als "Großes Heimattreffen" bezeichnet, weil sich 700 Namslauer einfinden. Ein Zeichen, dass man sich in Euskirchen wohl fühlt und die traditionellen Veranstaltungen geschätzt werden.

1982, 14. Großes Heimattreffen. Die Euskirchener Schützenbruderschaft nimmt die Namslauer in ihrem Schützenhaus auf. Über 600 Heimatfreunde werden von den Schützen und ihren Damen wieder umsorgt und verwöhnt. Der stellvertretende Landrat Peter Milz spricht in seiner Rede am Mahnmal von der Sorge der Namslauer um die in der Heimat verbliebenen Deutschen. Die CDU des Kreises Euskirchen hilft mit dem Erlös einer Spendensammlung. Zwei mutige Landsleute machen sich vor Weihnachten mit einem Lastwagen auf den Weg zu 400 in großer Not lebenden Kreisbewohnern. Lebensmittel und Kleidung bringen große Freude. Der erste Kontakt mit Namslauern aus dem Westen, seit 37 Jahren, überwältigt die Beschenkten. Der Reisebericht spornt Spender und Heimatfreunde an zu einer weiteren Fahrt nach Schlesien im November 1983.

Das 15. Heimattreffen, 1984, hat zwei Höhepunkte. Die Namslauer Privilegierte Schützengilde von 1434 feiert ihr 550jähriges Bestehen mit allen Angereisten und mit ihren Freunden, den Euskirchener St.-Sebastianus-Schützen. Zwei Namslauer, Ulrich Sroka und Ewald Bininda, überreichen OKD Dr. Decker ein Dia-Archiv mit 3000 Dias, Aufnahmen aus der schlesischen Heimat, von ihnen erfasst und katalogisiert. Diese Sammlung ist heute im Medienzentrum Kall untergebracht.
Der Leiter des Patenschaftsamtes im Kreishaus, Hans-Günther Perling, trat in den Ruhestand. Sein Nachfolger, Heinz Balschun, organisiert das Heimattreffen zu aller Zufriedenheit. Zwischen den Jahren des Euskirchener Heimattreffens organisieren Landsleute zunehmend Dorf-, Schul- oder Klassentreffen in vielen Regionen Deutschlands.

1986, das 16. Große Heimattreffen. In ihren Festansprachen zum Thema "30 Jahre Patenschaft des Kreises Euskirchen über den Kreis Namslau" gedenken Landrat Linden, Dr. Decker und Günter Kelbel der Gründer der Patenschaft und drücken ihre herzliche Verbundenheit aus. In diesem Jahr lernen die Heimatfreunde das "Haus Schlesien" in Heisterbacherrott kennen. Die Busfahrt führt zu diesem Museum für schlesische Heimatkunde, Begegnungsstätte und Bibliothek. Der 1. Vorsitzende Günter Kelbel bringt sein Buch "NAMSLAU - Eine deutsche Stadt im deutschen Osten", Band II, heraus. Es beschreibt u.a. ausführlich die Kreispatenschaft.

Beim 17. Heimattreffen, 1988, tritt Günter Kelbel, der 1. Vorsitzende, von seinem Amt zurück. Sein Nachfolger wird der 2. Vorsitzende Walter Maschler. In seiner Festansprache ermuntert er die Namslauer Heimatfreunde zum Zusammenhalt im Interesse der Patenschaft.

Das 18. Heimattreffen, 1990, vereint 800 Namslauer in Euskirchen. Erstmals nach Öffnung der Grenze zur DDR, trifft man nach 45 Jahren Freunde aus den neuen Bundesländern! Erneut gibt es einen Wechsel im Vorstand. Als Nachfolger des 1. Vorsitzenden Walter Maschler wird Karl-Ernst Lober gewählt. Die Busfahrt führt zum Haus Schlesien. Dort lockt das gemütliche "Namslauer Braustübel" in Erinnerung an die bekannte Namslauer Brauerei Haselbach.

1992, zum 19. Großen Heimattreffen, kommen außer den zahlreichen Mitgliedern auch etwa 50 der noch in der Heimat lebenden Landsleute. Als Tagungsort ist das Bürgerhaus in Euskirchen gut ausgewählt, denn viele traditionelle Veranstaltungen der Pfingsttage finden dort statt. Dr. Decker begrüßt herzlich die Namslauer im Kreishaus, Bundestagsabgeordneter Dr. Wolf Bauer und Karl-Ernst Lober sprechen am Mahnmal. Die Presse berichtet ausführlich.
Die Namslauer Schützen wählen Horst Schemmel zu ihrem neuen Schützenmeister.

Das 20. Große Heimattreffen, 1994. Im Bürgerhaus der Stadt Euskirchen treffen sich über 500 in Deutschland und in Polen lebende Heimatfreunde und Vertreter unseres Patenkreises. "Schlesien bleibt für uns ein Auftrag," betont Festredner Ortwin Lowack, Präsident der schlesischen Landesversamm- lung. Eine bemerkenswerte Postkarten- und Fotoausstellung über unseren Heimatkreis, die traditio- nellen Film- und Diavorführungen und die Wiedersehensfreude füllen die festlichen Tage. "50 Jahre nach Flucht und Vertreibung" - unter diesem Thema hat Karl-Ernst Lober 1995 mit Dokumenten und bedrückenden Fotos eine umfassende Ausstellung zusammengestellt. Anlässlich einer Feierstunde im Foyer des Kreishauses Euskirchen wird sie eröffnet. Viele Heimatfreunde finden sich ein, um mit Herrn Landrat Rosenke 40 Jahre Patenschaft zu würdigen. Im "Haus Schlesien" wird 1996 die o.g. bemer- kenswerte Ausstellung im Frühjahr gezeigt, ebenso im Bürgerhaus Euskirchen, unserem Veranstaltungsort beim 21. Namslauer Heimattreffen. 50 Landsleute aus Polen sind angereist, mit ihnen Bürgermeister Maciag und seine Gattin. Mit den Vertretern des Kreises Euskirchen und vielen Angereisten wird im Rahmen einer Feierstunde des 40-jährigen Bestehens des Vereins "Namslauer Heimatfreunde e.V." gedacht. Landrat Rosenke hält die Festrede, spricht von dem erfolgreichen Bemühen, im Patenkreis ein Stück Heimat zu bewahren, das Unvergessliche immer wieder neu zu beleben.
Busfahrten in die Heimat sind nun möglich. Horst Knetsch organisiert sie viele Jahre. Die "Nachkommen" profitieren vom Wissen der kompetenten Reiseführer und lernen die Heimat kennen. Anlässlich einer Fahrt im Jahr 1997 stellen die Heimatfreunde auf dem ehemaligen Standort der völlig zerstörten evangelischen Andreas-Kirche in Namslau eine Gedenktafel auf. Ein erster mutiger Schritt zur friedlichen Zusammenarbeit. Er erregt Aufsehen in der Presse. Mit Unterstützung der Namslauer Heimatfreunde finden sich in Namslau lebende deutsche Familien zum Deutschen Freundschaftskreis (DFK) zusammen.
Zum 22. Großen Heimattreffen 1998 versammeln sich die Namslauer noch einmal im Bürgerhaus, aber die Beteiligung hat nachgelassen. Das stimmt traurig, denn alle wissen: Treffen mit 500 Besuchern wird es nicht mehr geben. Andererseits gewinnen die Regionaltreffen an Bedeutung, ältere Mitglieder schätzen sie sehr. 50 Landsleute aus Polen nehmen an der traditionellen Kranzniederlegung am Namslauer Stein teil, an der Feierstunde mit Ansprachen von Vertretern der Kreise Euskirchen und Namslau. Auch das Schützenfest findet, wie an allen vergangenen Treffen, viele Besucher. Die Mitgliederversammlung bringt gravierende Veränderungen: Karl-Ernst Lober gibt den Vorsitz ab, behält die Redaktion des "Namslauer Heimatruf' und übernimmt weiterhin die Betreuung der Landsleute in Namslau und die Organisation der Hilfslieferungen. Horst Weiß ist nun 1. stellvertretender Vorsitzender.
Im Sommer 1999 fährt eine große Reisegruppe in die Heimat, um an der Feier "750 Jahre Namslau" teilzunehmen. Gleichzeitig findet die 100-Jahr-Feier zum Jubiläum der Kirche von Grambschütz statt. Eine Ausstellung unter dem Thema "Aus der deutschen Geschichte Namslaus", vorbereitet von K.E. Lober, wird gezeigt. Während einer außerordentlichen Sitzung in Carlsruhe am 06.06.99, gibt Horst Weiß das Amt des 1. stellvertretenden Vorsitzenden ab. Inge Casper als 2. stellvertretende Vorsitzende übernimmt.


Das 23. Pfingsttreffen 2000 der Namslauer Heimatfreunde findet zur Freude aller wieder im Schützenhaus der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Euskirchen statt. Frau BellPesch und Herr Born, beide seitens der Kreisverwaltung Euskirchen für die Belange unseres Vereins in ausgezeichneter Weise tätig, werden verabschiedet, Kreiskulturreferent Klaus Ring übernimmt diese Aufgabe für einige Zeit. Am Pfingstsonntag, nach dem offiziellen Festakt am Namslauer Mahnmal, füllt sich das Schützenhaus mit fröhlichen Heimatfreunden, hauptsächlich aus dem westdeutschen Raum kommend. Manfred Klisch zeigt in einer FotoAusstellung besonders alte Bäume und Grabstätten aus dem Kreis Namslau.
2001 - Das Schlesische Museum zu Görlitz betreibt die Erfassung der Bestände schlesischer Heimatstuben. Die "Namslauer Heimatstube" im Kreishaus kommt mit den beiden Patenschaftsurkunden und dem Brau-Urbar zur Geltung. Das abgeschlossene Projekt ist im Internet anzusehen unt
er "www.schlesisches-museum.de".
Im Mai 2002 führt uns das 24. Große Heimattreffen zusammen. Im Kreishaus wird die Ausstellung "750 Jahre Namslau" nach der Feierstunde am Mahnmal von Karl-Ernst Lober und Landrat Rosenke eröffnet. 128 Heimatfreunde erfreuen sich der guten Bewirtung und der fröhlichen Stimmung beim Königsschießen im Schützenhaus. Herzlicher Dank geht an die unermüdlichen, freundlichen Helfer aus der Kreisverwaltung Frau Roitzheim, Herr Schmitz, Herr Gaul.
Das 25. Große Heimattreffen, 2004, feiern die Namslauer in ihrer Patenstadt Euskirchen. Die Mitgliederversammlung wählt Berthold Blomeyer zum ersten Vorsitzenden. Birgit Roitzheim und Evelyn Wawer von der Kreisverwaltung, sowie Hermann-Josef Bollig, Ehrenpräsident der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft, werden die Ehrenzeichen des Vereins in Silber verliehen. Ein herzlicher Dank geht auch an Frau Berens, Frau Pütz, Herrn Thomaßen, Herrn Schmitz, Herrn Gaul und viele Mitarbeiter der Kreisverwaltung, die mit Patenschaftsaufgaben betraut sind.
Im Sonderheft, anlässlich des Jubiläums erstellt, schreibt Landrat Rosenke: "Der Beitritt Polens zur Europäischen Union hat den Traum vom gemeinsamen Europäischen Haus Realität werden lassen.
Zu dessen Erfüllung haben Sie als Vertriebene mit Ihrer Erinnerung eine wichtige Funktion. Nicht Verdrängen, sondern nur gemeinsames Aufarbeiten der Geschichte schafft in Europa eine gute Basis für ein weiteres friedfertiges Zusammenleben." Grußworte schreiben Euskirchens Bürgermeister Dr. Uwe Friedl, der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, der Vorsitzende des Kreisverbandes Euskirchen im Bund der Vertriebenen, W. Biedermann, und die deutsche Fraktion im Oppelner Landtag, Vorsitzender Bruno Kosak gemeinsam mit Herbert Kursawe, dem Vorsitzenden vom Kreisverband des Deutschen Freundschaftskreises Namslau. Am Pfingstsonntag finden sich alle Teilnehmer nach der traditionellen Gedenkfeier am Mahnmal im Sitzungssaal des Kreishauses zur Feierstunde ein. Freude und Dank, Rückblick und Ausblick, Heimat und Recht sind die Themen der Festreden.
Karl-Ernst Lober eröffnet im Foyer die Ausstellung "Besuche in der Heimat - Hilfen für die Heimat". Einen Monat lang haben Besucher des Kreishauses Euskirchen Gelegenheit, sich über die Aktivitäten und Kontakte der Namslauer Heimatfreunde ausführlich zu informieren. Den fröhlichen Schluss des Heimattreffens bildet wie stets das Schützenfest der Namslauer Privilegierten Schützengilde von 1434. Den Königsvogel schießen Erna Hanusa und Ulrich Sroka ab. Die St.-Sebastianus-Schützen mit ihrem neuen Präsidenten, Herrn Merz, gratulieren herzlich. Ein kleiner Umtrunk mit den langjährigen Gastgebern im Schützenhaus beendet das 25. Große Heimattreffen. Alle Namslauer nehmen die Stunden im freundlichen Schützenhaus wahr, um im Kreis alter Freunde Heimat zu spüren. Es gibt einen Grund mit Zuversicht in die Zukunft des Vereins Namslauer Heimatfreunde zu sehen: die Mitgliederentwicklung.
Am 19. Mai 1956, trugen sich zunächst 59 Heimatfreunde in die Mitgliederliste ein, weitere folgten an den Tagen des ersten Heimattreffens. In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Beitritte stetig: 1972 waren es knapp 1400 Mitglieder. Dirch das Ableben der Gründergeneration sank die Zahl im Jahr 1987 auf 1314. Die Öffnung der neuen Bundesländer ließ den Verein im Jahr 1991 auf 1562, im Jahr 1996 auf 1772 Mitglieder anwachsen. Die aktuelle Mitgliederzahl ist 1493, das Durchschnittsalter liegt bei 75,6 Jahren! Eine positive Nachricht: 40 v.H. der Mitglieder sind in den letzten zehn Jahren "Heimatfreunde" geworden. Laut unserer Satzung haben wir die Selbstverpflichtung "den Zusammenhalt aller früher in Stadt und Kreis Namslau in Schlesien Ansässigen oder mit deren Abkömmlingen aufrechtzuerhalten" Mit ausführlichen Berichten findet das Treffen in der Presse landesweit Beachtung. Die Zahl der Heimatgruppen mit einem lebendigen Vereinsleben und guten Verbindungen in die Heimat, wie die Namslauer, wird zunehmend kleiner. Interessierte erfahren mehr auf der Homepage www.namslau-schlesien.de. 2005 - In diesem Jahr währt die Patenschaft des Kreises Euskirchen über den Kreis Namslau schon 50 Jahre! Den Gründern sei gedankt, ihre Weitsicht und Entschlossenheit schuf ein lebendiges, vorbildliches Werk. Diese Patenschaft lebt im Bewußtsein der Beständigkeit, der Gemeinschaft und des Wohlwollens. "Tradition heißt nicht die Asche aufheben, sondern die Flamme weiterreichen." Ricarda Huch

veröffentlicht im JAHRBUCH 2005, Kreis Euskirchen

1955 - 2005
50 Jahre Patenschaft des Kreises Euskirchen über den Kreis Namslau in Schlesien - eine Bilanz

von Wolfgang Giernoth



1. Begründung der Patenschaft

Vor nunmehr 50 Jahren, am 3. November 1955, übergab Landrat Metzler in einer feierlichen Kreistagssitzung dem letzten Landrat des Kreises Namslau, Dr. Heinrich, die Urkunde über die Patenschaft des Kreises Euskirchen über den Kreis Namslau.

Die kunstvoll gestaltete Urkunde lautet:

"Der Landkreis Euskirchen hat durch einstimmigen Beschluss des Kreistages vom 22. März 1955 die Patenschaft über den Landkreis Namslau übernommen. Der Kreis Euskirchen soll damit eine neue geistige Heimat für die aus ihren angestammten Landen Vertriebenen werden. Im Fenster des Kreistagssitzungssaales wird das Wappen des Kreises Namslau auch in späterer Zeit an diese Patenschaft erinnern. Wir hoffen aber, dass die Fahne des Kreises Namslau und diese Urkunde bald einmal ihren Platz im Sitzungssaal des Kreishauses Namslau in der alten Heimat haben werden.

Metzler, Landrat Dr. Rütten, Oberkreisdirektor
Die Fraktionsvorsitzenden:
Fellmann, CDU Göring, SPD Freiherr von Coels, FDP"


Damit begann eine nunmehr ein halbes Jahrhundert währende Freundschaft zwischen Euskirchen und Namslau. In dieser Zeit ist wahr geworden, was in der Patenschaftsurkunde versprochen wurde: "Der Kreis Euskirchen soll eine neue geistige Heimat für die aus den angestammten Landen Vertriebenen werden."

In den folgenden Abschnitten soll die Entwicklung der Patenschaft geschildert werden. Vorangestellt wird eine Kurzinformation zum Kreis Namslau.

2. Kreis Namslau 1945

Der Kreis Namslau liegt etwa 60 km südöstlich der schlesischen Landeshauptstadt Breslau. Der Kreis hatte rd. 30.000 Einwohner, davon lebten rd. 8.000 in der Stadt Namslau. Viehwirtschaft, Forstwirtschaft, Handwerk, Brauwesen und landwirtschaftliche Industrie bildeten die Struktur der Wirtschaft in der Stadt Namslau und in den 46 Landgemeinden.
Am 19. Januar 1945 wurde die totale Räumung des Kreises Namslau befohlen, nachdem das Nahen der russischen Panzer zu sehen und zu hören war. Mit der Eisenbahn und in endlosen Trecks zogen die Menschen aus ihrer Heimat.

3. Begegnungen im Kreis Euskirchen

Patenschaft lebt von allem von Begegnung. Durch Begegnungen von Paten und Patenkindern lernen sich beide kennen, entstehen Verbindungen und Freundschaften.

3.1 Große Heimattreffen

Der Patenkreis Euskirchen hat es als wesentliche Patenschaftsaufgabe übernommen, die Namslauer alle zwei Jahre - immer in den Jahren mit einer geraden Jahreszahl - zu einem "Großen Heimattreffen" einzuladen. Die Treffen finden traditionell zu Pfingsten statt. Der Patenkreis übernimmt die organisatorische Vorbereitung der Heimattreffen und gewährt zur deren Durchführung einen finanziellen Beitrag. Den Namslauern obliegt die Ausgestaltung der Heimattreffen.
Am 19. Mai 1956 kamen etwa 700 Bewohner des Kreises Namslau zum ersten Heimattreffen und zur Gründung des Vereins "Namslauer Heimatfreunde", der seitdem auf Seiten der Namslauer die Treffen gestaltet, zusammen. Zu Pfingsten 2004 fand das 25. Große Heimattreffen in Euskirchen statt.
Viele tausend Namslauer haben in diesen Jahren ein freudiges Wiedersehen in Euskirchen gefeiert und frohe Stunden in Euskirchen verbracht. Bei den Treffen standen zwar das SichWiederfinden, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und das Kramen in alten Erinnerungen im Vordergrund. Darüber hinaus entstanden viele Verbindungen und Freundschaften zu den Repräsentanten des Kreises und zur Kreisbevölkerung. Viele Namslauer haben im Patenkreis ein Stammquartier für die Heimattreffen, entstanden durch enge freundschaftliche Kontakte zu ihren Quartiergebern.
Nach der Öffnung von Mauer und Eisernem Vorhang erlebte die Patenschaft einen seiner Höhepunkte. Viele Landsleute aus der ehemaligen DDR kamen erstmals nach Euskirchen, um Freunde und Nachbarn wieder zusehen und Paten und Patenkreis kennen zu lernen.
Besonders freudig begrüßt wurden zahlreiche noch in unserer Heimat lebende Landsleute, die zu den Treffen in den Jahren 1992 bis 1998 mit dem Bus gekommen waren, unter ihnen im Jahre 1996 der damalige Bürgermeister von Namslau mit sei-ner Gattin.

3.2 Freundschaft mit der St. Sebastianus Bruderschaft

Eine besonders lange und intensive Freundschaft verbindet die Namslauer mit der St. Sebastianus Bruderschaft Euskirchen. Im Jahre 1958 fand das erste Namslauer Königsschießen auf den Schießständen der St. Sebastianer an der Erft statt. Seit vielen Jahren (mit wenigen Unterbrechungen) feiern die Namslauer ihre Großen Heimattreffen in dem schönen, idyllisch gelegenen Schützenhaus der St. Sebastianer. Das Schützenfest mit dem Königsschießen ist dabei eines der Höhepunkte der Treffen.
Die Freundschaft wird besonders gepflegt durch den einzigen nach Kriegsende wieder begründeten Namslauer Verein, die "Namslauer Privilegierte Schützengilde von 1434".

3.3 Weitere Begegnungen

Das Kennenlernen des Patenkreises gehört stets zu den Großen Heimattreffen. Der Patenkreis hat es sich nicht nehmen lassen, seinen Patenkindern die Schönheiten des Kreises Euskirchen zu zeigen. Besuche in Kommern, im Kloster Steinfeld, in Gemünd am Urftsee, eine Burgenfahrt durch den Patenkreis, um nur einige Ziele zu nennen, standen dabei auf dem Programm.
Zweimal haben sich die Namslauer zu ihren Heimattreffen in der schönen Stadt Bad Münstereifel zusammengefunden, wo sie von den Repräsentanten der Stadt und der Bevölkerung liebenswürdig aufgenommen wurden.
Die Namslauer Schützengilde war zu Gast bei der Schützenbruderschaft in Bad Münstereifel und bei der St.-Laurentius-Schützengilde in Marmagen.
Traditionell treffen sich die Namslauer aus dem Raum Köln/Bonn/Aachen am 1. November jeden Jahres zur Totenehrung am Namslauer Gedenkstein am Kreishaus.
Zahlreiche Namslauer aus Stadt und Kreis haben sich im Kreisgebiet niedergelassen und hier eine zweite Heimat gefunden.

4. Erinnerungen an den Kreis Namslau

Das Erbe zu bewahren sowie die Erinnerungen an die Heimat wach zuhalten und den Kindern und Enkeln der Erlebnisgeneration sowie den Paten nahe zu bringen, dazu sind eingerichtet bzw. geschaffen worden:

4.1 Das Namslauer Mahnmal

Schon zu Beginn der Patenschaft bestand der Wunsch nach Schaffung eines Namslauer Mahnmals. Dank des Entgegenkommens des Kreises und der Stadt Euskirchen sowie aus Spenden der Namslauer konnte der Wunsch rasch verwirklicht werden. Am 15. Juni 1958 - beim 2. Großen Heimattreffen - wurde es eingeweiht. Sein Standort war neben dem alten Kreishaus an der Kölner Straße. Mit dem Umzug der Kreisverwaltung an den Jülicher Ring wurde das Mahnmal dorthin verlegt und am 11. September 1977 zum zweiten Male eingeweiht.
Das Mahnmal besteht aus einem behauenen Findling aus der Eifel, auf dem die Inschrift
Namslau Schlesien unvergessen
aufgebracht ist.
Der letzte Bürgermeister von Namslau, Dr. Lober, vollzog 1958 die Denkmalsweihe. Als Sinngehalt des Gedenksteins stellte er heraus: "Es ist gesetzt den Toten - wo sie auch ruhen mögen, an den Straßen des Trecks, in fremder oder unbekannter Erde, an Stätten, die weder besucht noch gepflegt werden können, in Heimatfriedhöfen oder in Ruhestätten der neuen Heimat. Er ist ein Erinnerungsmal an die angestammte Heimat, ein in Stein gehauenes Bekenntnis zur Treue an die Heimat, eine Mahnung, nie zu erlahmen in der Forderung der Verwirklichung des Heimatrechts und der Rückgabe der Heimat."

4.2 Namslauer Straße in Euskirchen

Als äußeres Zeichen der Verbundenheit der Patenkreisstadt Euskirchen mit der Kreispatenschaft und damit mit der Stadt Namslau hatte die Stadt Euskirchen spontan, unmittelbar nach der Übernahme der Kreispatenschaft, eine Straße nach der Stadt Namslau benannt.

4.3 Namslauer Heimatstube bei den St. Sebastianern

Als sichtbares Zeichen der besonderen Verbundenheit der St. Sebastianus Bruderschaft Euskirchen mit der Namslauer Schützengilde hatten die St. Sebastianer bereits im Jahre 1960 einen Raum in ihrem Schützenhaus den Namslauern besonders gewidmet: Die "Namslauer Stube", ausgestattet mit Bildern an den Wänden, die von Namslau erzählen, und einem bunt verglasten, von einem Namslauer Kunstglaser gestalteten Fenster, das das Namslauer Rathaus zeigt, sowie eingerichtet u.a. mit einem von einem Tischler aus Sterzendorf/Krs. Namslau kunstvoll gestalteten Eckschrank. Eine echte Heimatstube also.

4.4 Namslauer Heimatstube im Kreishaus

Im Jahre 1975 ging ein lang gehegter Wunsch der Namslauer in Erfüllung: Die Namslauer Heimatstube im neuen Kreishaus des Patenkreises wurde eingeweiht.
Die Heimatstube ist nicht eine "gute Stube" im herkömmlichen Sinne, die nur zu besonderen Zeiten geöffnet ist, sondern ein besonders gestaltetes Sitzungszimmer gegenüber dem Großen Sitzungssaal des Kreishauses. Diese Form wurde bewusst gewählt, damit Namslau den zahlreichen Nutzern des Raumes täglich vor Augen ist und die Patenschaft auf diese Weise lebt.
Die von einem Namslauer Architekten stammende Konzeption zeigt an den Wänden ein künstlerisch und photografisch gestaltetes Bild von Namslau. In dem Raum ist eine Holzschnitzerei angebracht, darstellend die Heilige Hedwig, die Schutzpatronin der Schlesier. In einer Vitrine werden einige wenige der geretteten Erinnerungsstücke aus der Heimat gezeigt. Neben der Vitrine hängt ein vom Verein Euskirchener Bastelfreunde angefertigtes Relief des Kreises Namslau.
Das Schlesische Museum zu Görlitz hat die Namslauer Stube im Rahmen des Projekts "Schlesische Heimatstuben" erfasst und unter www.schlesisches-museum.de der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

4.5 Das Namslauer Archiv

Am 9. Juni 1984 wurden dem Patenkreis Euskirchen das Dokumentenarchiv und das Bildarchiv der Namslauer übergeben.
Das Dokumentenarchiv umfasst Urkunden, Akten, Zeitungsstücke, Briefe und Berichte aus dem Kreis Namslau sowie Kopien anderweitig aufbewahrten Archivmaterials über den Kreis Namslau.
Das Bildarchiv besteht aus rd. 2.700 Dias und 800 Bildpositiven/-negativen, teils Originalmaterialien, teils Reproduktionen.
Ziel der Übergabe an den Patenkreis war, das gesammelte Material zum einen zentral und unter archivischen Bedingungen aufzubewahren und es zum anderen der Öffentlichkeit zu erschließen.
Interessierte haben seitdem die Möglichkeit, das Dokumentenarchiv im Kreisarchiv in Euskirchen und das Bildarchiv im Medienzentrum in Kall einzusehen und ggf. einzelne Stücke auszuleihen.

4.6 Heimatausstellungen

Eine gelebte Patenschaft setzt die Kenntnis von Land und Leuten voraus. So haben die Namslauer in Zusammenarbeit mit dem Patenkreis eine Reihe von Ausstellungen konzipiert, die u.a. die Geschichte Namslaus, ihre Sehenswürdigkeiten, die Vertreibung, die Patenschaft und die Aktivitäten der Namslauer für die noch in der Heimat lebenden Landsleute ausführlich dokumentieren. Die Ausstellungen (in den letzten Jahren im Foyer des Kreishauses) wurden vorwiegend während der Großen Heimattreffen, zuletzt auch danach gezeigt, um der Bevölkerung des Patenkreises ausreichend Gelegenheit zum Besuch zu geben. Themen waren u.a.:
- Schlesisches Land (1960)
- Namslau und der deutsche Osten (1966)
- Bilder aus dem Kreis Namslau mit Dorfplänen (1986)
- 50 Jahre Vertreibung - 40 Jahre Patenschaft (1995)
- 750 Jahre Namslau (2002)
- Besuche in der Heimat - Hilfen für die Heimat (2004)


4.7 Namslauer Heimatruf

Der Namslauer Heimatruf ist ursprünglich als Mitteilungsblatt der Namslauer Heimatfreunde e.V. geschaffen worden. Sein Ziel war, die Verbindung unter den Mitgliedern des Namslauer Heimatvereins aufrecht zu erhalten. Aber schon sehr bald wuchs er über diesen engen Aufgabenkreis hinaus und wurde zu einem echten Heimatblatt für Stadt und Kreis Namslau. Neben Berichten, Erzählungen, Anekdoten und Geschichten aus der guten alten Zeit bringt er Berichte über Reisen in die Heimat und über die Nachkriegsentwicklung des Kreisgebiets und der Stadt. Umfassend berichtet er über jedes Heimattreffen. Viel gelesen werden seine Familiennachrichten. Schließlich bringt der Heimatruf Berichte aus dem Patenkreis Euskirchen, soweit sie für die Namslauer, die hier ihre geistige Heimat gefunden haben, von Interesse sind.
Der Namslauer Heimatruf erscheint seit Jahren vierteljährlich. Im September 2005 ist die Ausgabe Nr. 186 ausgeliefert worden.
Der Patenkreis Euskirchen hat als Patenschaftsaufgabe den Druck und die Versendung des Heimatrufs übernommen; eine sehr hoch anzurechnende Patenschaftsleistung.
Der Heimatruf ist das verbindende Glied in der Vereins- und Patenschaftskette, vor allem für viele Namslauer, die aus Alters- und Krankheitsgründen nicht mehr am Vereinsleben teilnehmen können.

4.8 Homepage der Namslauer

Seit März 2004 sind die Namslauer mit einer Homepage unter der Adresse www.namslau-schlesien.de im Internet vertreten.
Anlass zu diesem Schritt war die Überlegung, das Wissen der Namslauer über ihre Stadt und ihren Kreis sowie über die Patenschaft aus den Archiven herauszuholen und ihren Kindern, Enkeln und Urenkeln, aber auch allen Interessierten, in einer kompakten Form zeitgemäß anzubieten.
Erste Statistiken zeigen: Es hat sich gelohnt. Aus aller Welt werden die Seiten angeklickt. Das große Interesse ermutigt zum Weitermachen.

5. Hilfen für Bedürftige


Schon ein Jahr nach Beginn der Patenschaft - zu Weihnachten 1956 - hatte sich der Patenkreis der Hilfe für die älteren Landsleute aus dem Kreis Namslau angenommen. Sie erhielten einen persönlichen Weihnachtsgruß und vor allem jene, die das Schicksal damals in die SBZ verschlagen hatte, wurden mit einem Weihnachtspaket bedacht. Diese, später von den Namslauern selbst mit finanzieller Unterstützung des Kreises Euskirchen weitergeführte Aktion für die in der SBZ/DDR lebenden Landsleute blieb bis zur Wende bestehen. Sie sorgte bei den Empfängern für Freude und hielt die Verbindung auch über die Grenze aufrecht.
Eine große Hilfe leistete die CDU unseres Patenkreises in den Jahren 1982/83. Aus einer großen Spendensammlung wurde den Namslauern ein namhafter Betrag für Weihnachtshilfen in die Heimat zur Verfügung gestellt. Zusammen mit weiteren Hilfsgütern startete Mitte Dezember 1982 ein 7,5 Tonner und ein Jahr darauf ein weiterer 4,5 Tonner mit Lebensmitteln und Bekleidung in den Kreis Namslau, um den rund 400 noch in der Heimat lebenden Landsleuten eine Weihnachtsfreude zu bringen. Auch in den Folgejahren konnten die Weihnachtshilfen in die Heimat - wenn auch in reduziertem Rahmen - fortgeführt werden.
Nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs wurden die Möglichkeiten für Hilfen in die Heimat durch bessere Zoll- und Einreisebedingungen erleichtert. Mit dem Beitritt Polens zur EU sind die Kontrollen weit gehend weggefallen. Die Namslauer haben diese Möglichkeiten genutzt und unterstützen die in der Heimat lebenden Landsleute seit 1990 regelmäßig zu Weihnachten mit Lebensmitteln, Spielsachen für die Kinder, Büchern und Bekleidung, später neben Sachmitteln auch mit kleinen Barmitteln. Zu den Aktionen zu Weihnachten leistete der Patenkreis in den ersten Jahren einen Zuschuss. Seitdem erbringen Spenden der Namslauer und von Dritten die notwendigen Geld- und Sachmittel.

6. Dank an die Paten

Viele haben in diesen fünf Jahrzehnten am Auf- und Ausbau der Patenschaft tatkräftig mitgewirkt. Sie alle namentlich zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen.
Herzlich zu danken für 50 Jahre gepflegte Gemeinsamkeit ist den Repräsentanten des Kreises Euskirchen und der Kreisverwaltung, den Patenschaftsbetreuern, der St. Sebastianus Bruderschaft, den zahllosen Helferinnen und Helfern der Kreisverwaltung, der Polizei, des DRK und der Bundeswehr sowie vielen Euskirchenern, die sich in der Patenschaft engagiert haben.
Ein besonderer Dank gilt der örtlichen Presse - insbesondere dem Kölner Stadtanzeiger und der Kölner Rundschau -, die die Patenschaft von Beginn an journalistisch begleitet hat. Mit ihrer Berichterstattung hat sie wesentlich dazu beigetragen, dass die Patenschaft im Bewusstsein der Bevölkerung des Patenkreises wach gehalten wurde.

Die in der Patenschaftsurkunde geäußerte Hoffnung, dass die Fahne des Kreises Namslau und die Patenschaftsurkunde bald einmal ihren Platz im Sitzungssaal des Kreishauses Namslau in der alten Heimat haben werden, ist leider nicht Wirklichkeit geworden. Mit viel Leben erfüllt wurde hingegen die Zusage, den vertriebenen Namslauern im Kreis Euskirchen eine neue geistige Heimat zu geben.

Die Patenschaft wird fortbestehen - das ist gewiss.