Bittbrief für den Erhalt der lutherischen Kirche in Schlesien     ……

Brief der Eleonore (Lorette) Gräfin Henckel von Donnersmarck, 1792-1857, Grambschütz, vom 23.5.1834, mit eigenhändiger Unterschrift, an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. und das Antwortschreiben aus Berlin vom 30.6.1834.

Lorette war die Tochter des Gustav Adolf HvD aus Neudeck OS (ev.), der 1790 die Erbtochter von Grambschütz, Johanna Eleonore v. Prittwitz u. Gaffron, heiratete. Während der Befreiungskriege gegen Napoleon gab er 1813 sein Leben in der Schlacht von Schroppau b. Glogau/Schlesien.
Lorette war verheiratet mit dem Lazarus Johann-Nepomuk HvD. Er stammte aus der älteren (kath.) oberschlesischen HvD-Linie, der Beuthener Linie. Der Schwiegersohn L. J.-N. wurde von Gustav Adolf adoptiert und konvertierte zum ev. luth. Glauben.

     Auf dem alten Friedhof in Greboszow/Grambschütz sind zwei Grabmäler erhalten. Lorette: Hoher Sockel mit Kreuz, weißer Marmor, ihr Vater: Gusseiserner Vierkantblock. Das des Lazarus Johann-Nepomuk ist verschwunden. Aber es existiert ein Foto aus der Mitte der 50er Jahre. Näheres beschrieben in: Peter Graf Henckel von Donnersmarck (PHD), Gesammeltes aus Grambschütz, 2010, S. 45f., in:
www.namslau-schlesien.de/grambschuetz.1a.htm

      Die Originale der Briefe sind unbekannt. Es liegen lediglich drei Fotografien (von hoher Qualität) vor, deren Herkunft unbekannt ist. Vermutlich nach dem 2 WK aufgenommen.


Zuvor ein kurzer historischer Diskurs

     1817 erließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. einen Aufruf zur Vereinigung (Union) der reformierten (Zwingli, Calvin) und lutherischen (altlutherischen) Gemeinden zu einer unierten Kirche. Die bisherige Abgrenzung zwischen den evangelisch-reformierten und den evangelisch-lutherischen Christen sei unzeitgemäß, unterschiedliche Lehrauffassungen unwesentlich. Über eine Verwaltungsunion hinaus, wünschte der König sich eine liturgische Union, z. B. gemeinsame Abendmahlsfeiern. Er beharrte auf seinem landesherrlichen Kirchenregiment (z. B. Erlass von Gottesdienstordnungen) mit dem Ziel, einer einheitlichen evangelischen Landeskirche.
     Da alles brachte über Jahre hin viel Ärger. In Schlesien (Breslau) heftiger Widerstand; aber offene Opposition (der Altlutheraner) duldete der König nicht. Verfolgung, Vertreibung, Enteignung, Inhaftierung, Einsatz von Militär.
     In Hönigern, Kr. Namslau, widersetzten sich Pfarrer und Kirchengemeinde. Am 23.12.1834 rückten 500 Mann preußisches Militär an und verschafften sich mit Gewalt Zutritt zur Kirche. Auch für Kaulwitz wird Unerfreuliches berichtet.
     1840 endete mit König Friedrich Wilhelm IV. die Verfolgung der seither so genannten Altlutheraner.

Die beiden Briefe

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König !
Allergnädigster König und Herr !

     Euer Königl. Majestät haben nun bestimmt befohlen, daß die wenigen Prediger hier in Schlesien, die noch ihrem Glauben und dem offnen Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche treu geblieben sind, zum letztenmal befragt werden sollen: ob sie bei ihrer bisherigen Überzeugung beharren, oder sich dem Befehl Euer Königlichen Majestät unterwerfen wollen, die neue Preußische Agende anzunehmen. Im Fall des Beharrens in ihrer Überzeugung, sollen sie in Geldstrafe genommen, hierauf suspendiert und vermutlich abgesetzt werden.
     Euer Königl. Majestät befehlen: man solle die Annahme der Agende und die Union nicht für eins und dasselbe erklären. Da aber Union doch nichts anderes ist: als das Fürwahrannehmen der Überzeugung des Anderen, und folglich die Annahme derselben, so ist ebenfalls in der neuen Preußischen Agende die Glaubenslehre der Reformirten aufgenommen, also für wahr anerkannt und mithin angenommen. Wer daher die Bekenntnisse der neuen Preuß. Agende für wahr erkennt und annimmt, unirt sich mit denselben und ist kein Bekenner mehr des evangel. Glaubens, den unser theurer Reformator Luther vor 300 Jahren mit so freudigem Muthe auf Gottes Wort begründet vor Kaiser und Reich aussprach.

     Da ich nun von ganzem Herzen und mit ganzer Seele den evangelisch-lutherischen Glauben, auf das heilige Wort Gottes begründet, bekenne und dadurch in vollem Vertrauen auf meinen Herrn und Heiland Jesus Christus hoffe seelig zu werden, so gelobe ich hiermit feierlich vor dem Angesicht Gottes, daß ich nie in den Verband einer Kirche treten werde, die gleichgültig in der Ueberzeugung, ob in den heiligen Sakramenten wirkliche Gnadenmittel oder bloße Zeichen empfangen werden, daher weder kalt noch warm ist.
     Nie werde ich das heilige Abendmahl aus den Händen eines Haushalters über Gottes Geheimnisse empfangen, der erst erzählen muß: Christus spricht, das ist mein Leib, mein Blut, da er selbst diesen Glauben nicht aussprechen will oder kann, und es allein dem Empfänger überläßt, sich dabei zu denken, was er will. Tausende (gestrichen: von E.(uer) M.(ajestät) Unterthanen) denken so wie ich , und werden durch des Herrn Gnade treu beharren.
     Was soll nun aus allen denen Seelen werden? Wer soll ihnen die von dem Herrn eingesetzten heiligen Sakramente reichen? Durch den Befehl E.K.M. (Euer Königlichen Majestät) sind sie dieser Stärkung, dieser Gnadenmittel beraubt. E.K.M. haben volle Macht über Hab und Gut, über Tod und Leben Allerhöchstderer Unterthanen, sie ist E.K.M. von dem Herrn aller Herrn anvertraut, aber über die Gewissen haben Allerh. keine Macht, und schwer wird es E.K.M. nicht drücken, sich der Kleinen, die an den Herrn glauben , nicht erbarmt zu haben. Wir leben nicht ewig, auch E.K.M. letzte Stunde wird kommen, und mit ihr gewiß auch Reue über den Druck, den Allerh. über uns Lutheraner anbefehlen, doch wie ich zu Gott hoffe, ohne zu wissen was Ahd. (Allerhöchstderselbe) uns damit für Leid zufügen. Läßt auch der Herr jetzt zum Schein durch E.K.M. Machtspruch Seine Kirche in Ahd. Landen untergehen, so wird es doch nicht für immer sein, Er wird Alles herrlich hinausführen! Das Waitzenkorn muß erst sterben damit es neue Frucht trage, aber schwere Verantwortung wird die Haushalter nicht treffen, wenn der Herr der Ernte kommen wird, und Rechnung fordern! Auch von E.K.M. wird er sie fordern über die Pfunde die er zu treuer Verwaltung übergab.
     Was hat denn die evangelisch-lutherische Kirche verbrochen daß E.K.M. sie gänzlich in Ahd. (Allerhöchstdemselben) Landen vertilgen wollen. Denn vertilgt ist solange es ihr nur aus Gnaden verstattet ist , sich unter den Flügeln einer anderen Kirche zu verbergen, und nur besteht solange es diese ihr gestattet. Die Kirche hat nur Einen Herren, Ihren Heiland, Ihren Erlöser, Ihren Seligmacher. Wohl fand der Herr eine Stiftung für seine evangelisch-lutherische Kirche für nöthig, da sie viele Untreue enthielt, wie die vielen Abtrünnigen beweisen, wir beugen uns unter die gerechte Hand Gottes, die dies Heilmittel verordnet hat!
     Laßen E.K.M. die evangelisch-lutherische Kirche in Ahd. Staaten bestehen, lassen Ahd. dieselben ihr ihre alten Rechte. E.K.M. wird es gewiß mehr Segen bringen einzugestehen, daß Ahd. in dero Eifer zu weit gegangen, als auf dem Befehl zu beharren der Tausende tief betrübt, und dem Herrn nicht wohlgefällig sein kann. Wie innig bete ich immer zu dem Herrn der Heerschaaren: Gieb unserm König ein weites Herz, Königl. Gedanken!- O möchten alle unsere Bitten für E.K.M. gesegnete Regierung in Erfüllung gehen, und wir auch fernerhin in evangelisch-lutherischer Kirche, mit unserem ungestörten vollen Bekenntnis für E.K.M. Wohl beten können.
                 Mit der tiefsten Ehrerbietung ersterbe ich
                                                                        E.K.M. untertänigste
Grambschütz                                                                                Eleonora Gräfin Henkel von Donnersmarck
23 Mai 1834                                                                                 geb. Gräfin Henkel von Donnersmarck

Die Antwort aus Berlin

An die Gräfin Eleonore Henkel von Donnersmarck zu Grambschütz bey Namslau.

.....Auf Ihre Vorstellung vom 23. Mai l.J. eröffne Ich Ihnen, daß Sie sich vor allen Dingen hätten bemühen sollen, meine, zur Berichtigung der, über das Wesen und den Zweck der Agende und der Union, von einigen Gegnern des kirchlichen Friedens versuchten Verbreitung von Mißdeutungen und unrichtigen Ansichten, an den Staats Minister von Ardenstein erlaßenen und durch den Druck zur öffentlichen Kenntnis gebrachte Ordre vom 28. Februar l.J. richtig aufzufaßen.

.....Es würde dann auch bey Ihnen, so wie es bey anderen der Fall war welche diese meine Erklärung, daß die Agende in den Glaubens-Normen der lutherischen und reformierten Konfeßion nichts geändert habe, und daß die von der Agende ganz unabhängige Union solches eben so wenig bewirke, und nur bezwecke, daß die Mitglieder beider Konfeßionen sich, der in den Glaubenslehren bleibenden Differenz Punkte ungeachtet, in einem, Gott wohlgefälligen Frieden zu einer gemeinschaftlichen Gottes-Verehrung vereinigen, mit Vertrauen und unbefangen, aufgenommenen Gaben, eine vollständige Beruhigung die Folge gewesen sein.
.....Ich kann Sie daher nur unter Verweisung auf meine Erklärung in jener Ordre, zu einer solchen unbefangenen Berichtigung Ihrer Ansichten auffordern, bei welcher Sie dann das Unrichtige und Unangemessene Ihrer Äußerungen in Ihrer Vorstellung selbst fühlen werden. Wenn Sie sodann mit allem Vertrauen zu der Kirche zurückkehren, an deren Glaubens-Normen nichts geändert ist, so wird Ihnen der Friede wieder zu Theil werden, den Sie in der Trennung von solcher und in falscher Zuversicht zu eigner Einsicht immer mehr verlieren müßen. Berlin den 30. Juny 1834.

Unterschrift unleserlich


Die Transkription fertigte Johannes Frhr v. Ow, Piesing, im Oktober 2004.