Die Juden haben sich in Namslau schon sehr früh
niedergelassen. Sie wohnten in der "plaka Judeorum, der Judengasse", die
1321 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird. Wilczko und Abraham von Namslau sind
die ersten Namslauer Juden, deren Namen wir kennen. Da in Namslau 1349 die Pest wütete,
halten sich zwischen 1350 und 1360 die Narnslauer Juden in Breslau auf.
1359 wurde der Breslauer Rat von Kaiser Karl IV. beauftragt, in Namslau, Guhrau und
Neumarkt den Judenschutz zu übernehmen.
1380 erteilte Kaiser Wenzel der Stadt die Erlaubnis, zwei Jahrmärkte abhalten
zu dürfen, 1423 erhielten die Namnslauischen Kaufleute zugleich mit den Breslauern
die Genehmigung des Großfürsten von Litauen, frei in allen seinen Ländern
handeln zu können. Inzwischen wurden die nach Polen ausgewanderten Juden dort
zu einem wichtigen Faktor; als Käufer und Verkäufer von und nach Polen, bereisten
die polnischen Juden alle Märkte und Messen und machten den einheimischen Kaufleuten
Konkurrenz. So auch in Namslau. Dagegen wehrten sich die Krämer und sie erhielten
1490 gegen eine jährliche Abgabe von einem Pfund Pfeffer und zwei Lot Safran an
den Rat von diesem die Zusicherung, daß außerhalb der Jahrmärkte kein
Fremder etwas am Orte selbst feilhalten dürfe. So blieb es nun längere Zeit.
An die Juden erinnerte nur noch der Name der "Judengasse", der sich bis in
das 16. Jahrhundert erhielt. Erst im 17. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Neubegründung
jüdischer Gemeinden in Schlesien und auch im übrigen Deutschland, sind in
Namslau Juden wieder nachweisbar.
Der schwedisch-polnische Krieg traf besonders schwer die Posener Juden. Sie wurden
getötet, vertrieben und beraubt, und zwar besonders von ihren "Landsleuten",
den Polen, an deren Spitze sich der berüchtigte Czarnechi durch Judenmorde auszeichnete.
So flüchteten zahlreiche Juden, aber auch Polen, nach Schlesien, das 1582 sämtliche
Juden (bis auf Glogau und Zülz) aus dem Lande verwiesen hatte. In Militsch, Neisse,
Ujest und Namslau sind die Flüchtlinge nachweisbar. In Breslau fanden nur geflüchtete
Polen Aufnahme.
Vom 17. September 1655 gibt es die Mitteilung, daß Namslau Juden aufgenommen
hat.
"Wir Bürgermeister und Rathmanne der Stadt Nambeslaw, thun und bekennen
hiermit, daß unter unsserer und gemeiner Stadt Nambslaw , aus Polen alhero geflehete
nachgetriebene Personen und Juden sich befinden, wie folget:. Bey Heinrich Kitteln,
Bürgern und Gewandschneidern logieret in deren Hinterhause ein Jude, Salomon genandt,
welcher zum Bolnischen Bunczel Zöhlner (Zöllner) gewesen, sambt dessen Weibe
und vier Kindern.... Bey George Krannschen, Fleischern in dessen Hintherhause ein Jude,
Moses von Calisch, mit dessen Weibe und einem Jungen InHerren Johann Wolffens Bürgermeisters,
Hintherhause siendt drey Juden, von Calisch, nahmens Jabob, Abraham und Joachimb, mit
dreyen Weibern, acht Kindern, einer Magdt, und einem Jungen, zusamben achzehn (18)
Personen.
Unter denen, die die unglücklichen Juden beherbergten, befand sich sogar der Bürgermeister,
sowie ein Fleischer und Gewandschneider. Dies hinderte aber nicht daran, daß
die Juden sehr bald Namslau verließen; denn in Namslau sollte ihnen noch hundert
Jahre der Aufenthalt verwehrt sein, wahrscheinlich nur wegen der Furcht der am Ringe
wohnenden Krämer und Kaufleute vor dem Handel der Juden. 1657 befanden sich bereits
keine Juden mehr in der Stadt Namslau. Aber sie ließen sich dort auf den in der
Nähe liegenden Dörfern nieder, so 1657 bereits in Bankwitz, Schmogran, Städtel,
Windisch Marschwitz, Dörfern, die zum Teil wenigstens bis 1810 noch von Juden
bewohnt waren.
1678 war die Brandwein-Arrende in Namslau (oder in einer Vorstadt) an den Juden Meir
b. Josef ha-Kohen verpachtet, der zu der Kempener Gemeinde gehörte. Die Juden
in der Umgebung Namslaus vermehrten sich sehr rasch. da sie das ganze Land als Hausierer
durchziehen konnten und Brandwein- und Bierarrenden von den Adligen in Pacht erhielten.
Hier wiederholt sich das überall besonders in Schlesien typische: die Juden, von
dem Betreten der Stadt aus Angst vor der Konkurrenz ausgeschlossen, erobern sich einen
neuen Absatzmarkt, das flache Land, das sie so dem städtischen "ehrsamen
Handelsmann wegnehmen.
Während der ganzen österreichischen Herrschaftsperiode trat darin keine
Aenderung ein, die Juden vermehrten sich auf den adligen Dörfern, richteten dort
Synagogen ein, "überschwemmten" das flache Land mit ihren Waren. Auch
nach der Eroberung Schlesiens durch die Preußen - 1741 - änderte sich an
diesen Verhältnissen durchaus nichts
In Namslau wohnten in dieser Zeit keine Juden, während zum Toleranzamt Namslau
elf auf den Dörfern wohnende Juden gehörten. Erst während des siebenjährigen
Krieges sind Juden in Namslau wieder nachzuweisen.
"Am 13. Februar 1763 wurde Namslau ansässigen Juden Simon Abraham, Fischei
Moises und Mendel das Königl. preuß. Edict vom 11. Januar 1763 vorgelegt,
das die Münzausfuhr aus verbot. . Unter diesen drei Juden befinden sich Fische!
Moises, der Urahne der schlesischen noch heute weit verbreiteten Familie Lebrecht und
Mendel Lazarus, der Urahne der Familie Starke und Chasak in Namslau. Es waren polnische
Juden, die über die nahe polnische Grenze während der schlesischen Kriegswirren
gekommen waren und für den preußischen Staat irgendwie geleistete Dienste
die Niederlassungsconcession für das bisher den Juden verschlossene Namslau erlangt
hatten. Fischel Moyses besaß z. B. eine Königliche Concession, daß
er in Namslau das "Wechsel Nogotium verrichten sollte". Diese wohnhaften
Juden besaßen Läden und hausierten auf dem Lande, denn das Hausieren in
der Stadt war ihnen und auch anderen Juden verboten. Wer hierbei erwischt wurde, hatte
sich strenger Strafen zu gewärtigen. "
"1789 wurde Gürtel, die Frau des Arrendators Moises Löbel zu Windisch-Marchivitz
dabei gefaßt, wie sie Glaswaren in die Stadt brachte. Allerdings stellte sich
ihre Unschuld heraus, denn die Waren, die sie mit sich trug, waren bestellt von dem
Gastwirt Frey und von dem Schutzjuden Fischel Moises. Moises Löbel gab übrigens
bei seiner Vernehmung an, daß er alles Glas aufkaufe und es nach Bachor bei Landsberg
(OS) in die Glashütte des Grafen von Henckel bringe, umi es dort gegen neues Glas
einzutauschen. Ein anderer Jude, Loebellsak aus Krakau brachte Glaswaren für den
Arzt und die Apotheke nach Namslau, ferner Fayencen für das Königsschießen.
"
1781 hatte die preußische Regierung, nachdem sie bereits 1776 die Juden vom linken
Oderufer vertrieben hatte, die rechts der Oder wohnenden Juden gezwungen, vom Land
in die oberschlesischen Städte zu ziehen. 1784 verlangte die preußische
Regierung mit einem Male die Regulierung der von der schlesischen Judenschaft an die
Breslauer Münze zu liefernden Silbermengen und erhob deshalb eine Sonderumlage
bei den begüterten Juden Schlesiens, die sie nach ihrer Schätzung auferlegt,
und die unwiderruflich zu zahlen war. Zu dieser hohen Ehre wurden aus Namslau zwei
Juden erwählt Fischel Moses (Liebrecht) und Mendel Loeser (Starke), von denen
ersterer zu 60 Reichsthalern und letzterer nur zu 50 Reichsthalern veranlagt wurde,
Von beiden hieß es, daß sie "Häuser und ansehnliche Crahmladen
" besitzen.
1785 wohnten bereits vier Familien in Namslau. Ihnen wurde die "Allerhöchste
Cammer Ordre…. wegen des verbotenen Hausierens der inländischen Juden mit
ausländischen Waren publiciert " und die Juden. 'a genaue Befolgung desselben
erinnert". Um 1790 müssen diese Namslauer Juden eine hohe soziale Stellung
in der Stadt eingenommen haben. Sonst wäre es wohl kaum zu erklären, daß
bei dem im Jahre 1797 in Namslau stattfindenden Besuch des damaligen preußischen
Königs Friedrich Wilhelm II., an dem der Kronprinz und der durch seine jüdischen
Beziehungen bekannte Prinz Louis Ferdinand in dem Haus des Kaufmanns Liebrecht Nr.
216" logierte.
Am 28. Oktober 1794 erhielt die Namslauer jüdische Gemeinde auf Grund einer
schon am 3. Dezember 1792 erhaltenen Genehmigung der Breslauer Kammer vor dem Krakauer
Tore (bei dem sogenannten polnischen Vorwerke) ein Stück Land zur Anlegung eins
Begäbnisplatzes gegen Erlegung eines jährlichen Grundzinses von sieben Talern.
1801 protestierte die inzwischen auf acht Familien angewachsene Gemeinde in einem Schreiben
an den preußischen König mit anderen schlesischen Gemeinden gegen die Wahl
des Lewin Saul Fränckel zum schlesischen Oberlandesrabbiner. (Der erste hieß
Jac. Goldberger)
Die Synagoge wurde 1856 von der jüdischen Gemeinde Namslau aus eigenen Mitteln
erbaut und am 22. Dezember feierlich eingeweiht. An dieser Feier nahmen auch der Magistrat
und die Spitzen anderer Behörden teil.
Was die wirtschaftliche Lage der Juden betrifft, so haben sie ursprünglich nur
Kramläden in der Stadt gehabt, auf dein Land waren sie Hausierer.
Sie versuchten, sich aber auch andere Erwerbsquellen zu beschaffen. Sie trafen dabei
manches Mal auf den Widerstand christlicher Händler. So wurden den Söhnen
der Juden Mendel, Stark und Raphael 1797 auf den Protest zweier Horndrechslermeister
hin verboten, mit Drechslerwaren (Pfeifenrohre und Mundstücke hauptsächlich)
in der Stadt zu handeln, da dies ein "Eingriff in die Gerechtsame " dieser
Meister sei.
Noch ein anderer Beruf wurde ergriffen: eine Gesellschaft von mehreren Namslauer Juden
pachtete 1794 bis 1800 und 1800 bis 1806 die Kämmerei-Brandwein-Arrende in Namslau,
die das Brandwein-Brennereimonopol für Namslau und einige umliegende Dörfer
besaß. Die Pachtsumme betrug jährlich (1800 bis 1806) 1105 Reichstaler.
Den Pächtern, den Gebrüdern Liebrecht und Starke, war neben der Brandweinherstellung
auch "bewilligt worden, allerhand Sorten von Aquavit und Liqueurs zuzubereiten
und verschänken ".
Trotz dieser Bewilligung scheint dieses Pachtunternehmen nicht den erwartelen Gewinst
erbracht zu haben, denn 1806 wurde die Brandweinarrende pachtlos. In der nachher erfolgten
öffentlichen Versteigerung boten die bisherigen jüdischen Pächter zwar
die höchtsie Summe mit 961 Rtbr, aber Friedrich Wilhelm III., der preußische
König, befahl in einem eigenhändigen Brief 'an die Stadt Namslau, die Gebote
zu annullieren, wobei er zugleich mitteilte, daß "wir" dem Generalprivilegierten
Marcus Meyer für sein Geboth von 910 Rtbr. unter den festgesetzten Bedingungen
die Pacht adjudicirt haben". Mlarcus Meyer aus Rosenberg pachtete die Arrende
für die neun Jahre 1806 bis 1815.
Neben der Handlung wurden auch Handwerker in Namslau von den Juden betrieben: so gab
es im 19. Jahrhundert in Namslau jüdische F 1 e i s c h er (Wolff, Schüftan,
die Fleischermeister Heimann und David Schiftan), B ä c k e r (Lieberm, Cohn,
Bäckermeister Emanue! Beihoff, S c h n e i d e r (Sa!omon Nicolaier, Schneidermeister
Ernst Schüftan), S e i f e n s i e d e r (Louis Liebrecht), G l a s er (Alexander
Brinitzer, Dav. Seiler), B u c h b i n d e r (Meier-Mändel), S c h u h m a c h
e r (Nath. Goldberger) und K ü r .s c h n e r (Abrah. Cohn, Kürschnermeister
Heimann Stahl). Die übrigen Mitglieder der Gemeinde waren Kaufleute, Schnittwarenälndler,
Getreidehändler, Kramwarenhändler. Auch einen Beamten hatte die Gemeinde.
Jacob Goldberger; der letzte war der Kantor und Lehrer Fleischhacker, dessen Sohn Leopold
Fleischhacker, ein bekannter Bildhauer in Düsseldorf war.
Auch jüdische Aerzte gab es in Namslau. Im 19. Jahrhundert praktizierte in Namslau
Dr. Ehrlich, der auch die gedruckten Gemeindestatuten des Jahres 1860 als Repräsentant
mit unterzeichnete. Bei der Choleraepidemie des Jahres 1852 richtete er zusammen mit
dem Bürgermeister in Namslau ein Choleralazarett ein. Ein Lehrer unterrichtete
an der dortigen jüdischen Schule, 1861 zählte sie nur zirka 15 Kinder, da
- wie der Bericht erklärend hinzufügt - "fast ebensoviel jüdische
Kinder die evangelische Schule besuchen ".
Von drei Familien im Jahre 1763 wuchs die junge Gemeinde bis 1801 auf 8 Familien; 1812
-bei der Annahme der Familiennamen - zählte der Kreis Namslau 120 jüdische
Familien, von denen nur 23 in Namslau selbst wohnten.
Von 1840, wo die Gemeinde 174 Seelen zählte, bis 1871 vermehrte sie sich auf 236
Seelen, wohl die Höchstzahl der Juden in Namslau . Dann verminderte sich die Gemeinde
rasch, durch ihr Abwandern in die Großstädte Breslau, Berlin u. a., wo dem
Juden damals noch alle Pforten offen standen.
1930 zählte die Gemeinde noch 50 Personen. Der letzte Vorstand bemühte sich
noch um den Bau einer neuen Friedhofshalle. Der Friedhof wurde 1794 gekauft und 1862
mit einem neuen Zaun (für 700 Taler) versehen. Die kleine jüdische Gemeinde
hat im 1. Weltkrieg 2 Mitglieder zu beklagen, E. Gottheiner und Jul. Herzmann, 1864,
1866 gab es 6 Namslauer jüdische Kriegsteilnehmer, 1871 waren es 7.
In Namslau wohnten 1812 folgende Familien: Chasak (Starke), Cohen, Danziger, Dawa,
Eibnitzer (eine alte Familie stammt aus Städtel), Finkenstein, Graumann, Liebrecht
(neben Chasak und Starke die älteste Namslauer Familie), Löbel, Mayer, Nachschön,
Nathan, Rosenbarth, Samuja, Schiesinger, Schweitzer, Sittenfeld, Starke und Steiner.
Die jüdische Gemeinde Namslau hat später im Laufe dieses 19. Jahrhunderts
alle die kleinen jüdischen Dorfgemeinden ihrer Umgebung in sich aufgesogen, die
einstmals entstanden waren, weil ihren Mitgliedern die Niederlassung in Namslau verwehrt
wurde. Ein Prozeß, der in der Geschichte des jüdischen Volkes seine häufigen
Parallelen findet und in dem das Schicksal des wandernden Volkes seinen Ausdruck findet.
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Die Darstellung zur Geschichte der Juden in Namslau bezieht sich auf Quellenmaterial
des Katholischen Diözesanarchivs, des Berliner Gesamtarchivs der deutschen Juden,
des Stadtarchivs Namslau und der jüdischen Gemeinde.
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